: Wozu braucht man noch mal Ausländerbeauftragte?
Ausländerbeauftragte aus Bund und Ländern wehren sich gegen Abschaffung ihrer Ämter durch CDU und FDP. Auch SPD nennt Pläne „reaktionär“
BERLIN taz ■ Die Bundes-Ausländerbeauftragte Marieluise Beck sieht in der geplanten Kaltstellung ihrer Länderkollegen in Hamburg und Sachsen-Anhalt den Beginn einer „parteipolitisch motivierten Diskussion“. Die Grünen-Politikerin wies darauf hin, dass an beiden Regierungen die FDP beteiligt ist. Möglicherweise sei die Abschaffung von Ausländerbeauftragten also „das nächste Spielfeld für Herrn Möllemann, das sich da auftut“.
Die Arbeit der unabhängigen Beauftragten gerade jetzt in Zweifel zu ziehen, da mit dem neuen Zuwanderungsgesetz noch mehr Aufgaben auf sie zukämen, sei „so unverantwortlich, dass mir einfach die Spucke wegbleibt“, sagte Beck. Sie werde den Verdacht nicht los, dass damit ein „neuer Aufhänger“ gesucht werde, um die Ausländerpolitik im Wahlkampf noch einmal zu „emotionalisieren“.
Ausgelöst wurde die Empörung Becks durch die Entscheidung des Hamburger CDU/Schill/FDP-Senats, die Ausländerbeauftragte Ursula Neumann durch einen ehrenamtlichen „Beirat“ zu ersetzen. Kurz darauf kündigte die neue CDU/FDP-Regierung in Sachsen-Anhalt an, den bisher unabhängigen Beauftragten Günter Piening künftig dem Innenminister zu unterstellen. Auch in Brandenburg wird jetzt die Ausländerbeauftragte Almuth Berger in Frage gestellt. Die Junge Union fordert dort, „die Ausländerbeauftragte einzusparen“. Angesichts eines Ausländeranteils von weniger als drei Prozent sei eine solche Stelle nicht nötig. Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sei die bisherige Leistung der Ausländerbeauftragten eher „kosmetischer Natur“.
Doch nun wird Widerstand laut. Die Hamburger Noch-Beauftragte Neumann nannte die Abschaffung ihres Amtes gestern eine „Schädigung des internationalen Ansehens der Stadt“. Neben Beck erklärte sich nun auch die Bundeskonferenz der 140 Ausländerbeauftragten aus Ländern und Gemeinden solidarisch mit Piening, Neumann und Berger. „Der Verdacht drängt sich auf“, heißt es in einer gemeinsamen Protestnote, „dass unliebsame Interessenvertreter abgeschafft bzw. in ihrer Arbeits- und Artikulationsmöglichkeit beschränkt werden sollen.“
Da will auch die SPD nicht mitmachen. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe lehnte die Forderung der Jungen Union ab. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, bezeichnete die Pläne von CDU/FDP, auf „Moderatoren bei der Integration“ zu verzichten, als „reaktionär“. LUKAS WALLRAFF
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