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Von einem blutigen Handwerk

■ Neu im Kino: „Henker – Der Tod hat ein Gesicht“ von Jens Becker

Sie sind Handwerker und erzählen von ihrem Metier: von den richtigen Griffen, den Werkzeugen, der Bezahlung, von den Vor- und Nachteilen ihres Berufs. Sachlich, mit professionellem Stolz und deshalb umso schrecklicher, denn in diesem Dokumentarfilm schildern Henker ihre Arbeit.

Sieben Männer aus sieben Staaten, die Todesurteile vollstreckt haben. Der älteste ist Paul Sakowski, der 1937 im KZ Sachsenhausen als Häftling dazu gezwungen wurde, 34 Menschen zu hängen und dafür nach dem Krieg zu lebenslangem russischen Arbeitslager verurteilt wurde. Der jüngste ist der rumänische Soldat Ionel Boeru, der 1989 den Diktator Ceausescu und seine Frau nach einem Schnellgericht erschoss.

Die beiden sind zugleich die Extremfälle und die Ausnahmen unter den Henkern: Der eine wurde durch tragische Umstände zum Täter und blieb deshalb sein ganze Leben lang ein Opfer, mit dem man nur Mitleid haben kann. Der andere führte in einer Sondersituation einen Befehl aus. Mit dem Handwerk des Henkers hat er wenig zu tun, und ist wohl deshalb noch der normalste, sympathischste Mensch in diesem Films.

Wirklich erschütternd sind die fünf übrigen Scharfrichter, die Menschen im Namen ihres Staats umgebracht haben, und nun ausführlich von ihrer gut gemachten Arbeit erzählen: der Franzose Meyssonnier (ca. 200 Hinrichtungen mit der Guillotine in Algerien), der letzte DDR-Henker Hermann Lorenz (20 Mörder und Spione durch Genickschüsse getötet), der Jugoslave Reuf Ibrisagic (sechs Hinrichtungen von Schwerstverbrechern), der Ungar György Pradlik und Josepf Malta, der als Amerikaner nach den Nürnberger Prozessen 46 deutsche Kriegsverbrecher henkte.

Der Regisseur Jens Becker und sein Co-Autor Gunnar Dedio halten sich mit Kommentaren sehr zurück. Diese wären auch überflüssig gewesen, denn man sieht bei jedem Henker deutlich, wie er durch diese Arbeit deformiert wurde. Sie sind alle Parias, nicht nur gesellschaftlich gemieden, sondern auch psychisch isoliert. Der Franzose Meyssonnier mag sich zwar einen idyllischen Alterssitz in der Provence leisten können, aber er spricht so zynisch und distanziert über seine Arbeit und sein Leben, dass man ihm nur mit Widerwillen zuhören mag.

Der Amerikaner Josepf Malta entpuppt sich als sadistischer Paranoider, der Göring am liebsten zu Tode gefoltert hätte, und davon überzeugt ist, dass Hitler noch lebt. György Pradlik hat sein Metier vor seiner Umwelt streng geheim gehalten. Für ihn waren die Gespräche vor der Kamera wie eine Beichte, durch die nun auch seine längst erwachsene Tochter erfährt, womit er sein Geld verdient hat.

Es sind durchweg dramatische, bizarre Lebensgeschichten ohne schreckliche Bilder: All die historischen Dokumentaraufnahmen von Hinrichtungen hat Becker klugerweise in den Archiven gelassen. Statt dessen sieht man aber, wie genau eine Guillotine aufgebaut wird, welche Knoten für eine gute Henkerschlinge geknüpft werden müssen oder in welchem Wäldchen bei Sarajevo die Delinquenten erschoßen wurden. Der Schrecken kommt hier aus der Sachlichkeit, denn Jens Becker hält filmisch immer Distanz.

So ist „Henker“ ein Anti-Lehrfilm geworden. Ein Plädoyer gegen die Todesstrafe, das ganz ohne polemische Töne auskommt.

Wilfried Hippen

„Henker – Der Tod hat ein Gesicht“ läuft am Samstag um 20.30 Uhr und von Sonntag bis Dienstag um 18.30 Uhr im Kino 46 in der Waller Heerstraße. Die beiden Autoren haben zu dem Thema auch das Buch „Die letzten Henker“ (Verlag Das Neue Berlin) herausgebracht

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