themenläden und andere clubs: Wenn Kaffee zu 98 Prozent aus Wasser besteht, Wasser aber auch nur zu 98 Prozent aus Wasser, dann hilft: Starbucks!
Zwei Prozent Geschmack
Zu den Dingen, die in diesen Tagen bewegen, gehören unter anderem das Wetter, die Fußball-Weltmeisterschaft, der Kaschmirkonflikt, Jürgen Möllemann, Israel und Palästina, die Osbournes, die Debatte um den neuen Walser-Roman und die Eröffnung der ersten Starbucks-Filialen. Wobei im Zusammenhang mit der Eröffnung der Starbucks-Filialen vor allem die zeitliche Nähe zu zwei anderen Dingen auffällt: dem Erscheinen des Dokumentarfilms „Starbuck Holger Meins“ einerseits, wie andererseits dem Besuch von US-Präsident George W. Bush.
Man muss allerdings nicht davon ausgehen, dass es da einen näheren Zusammenhang gibt, weil Starbucks nämlich nichts von der RAF und Weltpolitik weiß, sondern nur von gutem Kaffee und sonst nichts. Starbucks ist dafür berühmt, den Milchschaum für Milchschaumkaffee so unvergleichlich schön aufzuschäumen, und zwar bei einer Temperatur, bei der dies immer gelingt. Starbucks hat zu diesem Zweck eigens ein hochsensibles Milchschaumtemperatur-Thermostat entwickelt, dass die Idealtemperatur bei jedem Aufschäumvorgang punktgenau anzeigt – unübersehbar für die in zentralen Schulungszentren an Milchschaumtemperatur-Thermostaten ausgebildeten Bediensteten.
Nur wenige wissen, dass Starbucks seinen Kaffee nicht einfach nur mit einfachem Wasser kocht, sondern nur mit Wasser kocht, das zuvor in sehr speziellen Starbucks-Filteranlagen von störenden Inhaltsstoffen gereinigt wurde, die den Kaffeegenuss nachhaltig beeinträchtigen könnten. Denn Kaffee besteht, das wird gern vergessen, zu 98 Prozent aus Wasser.
Weil aber in den USA, wo man den guten Starbucks-Kaffee vor Jahren erstmals aufsetzte, selbst das Wasser nur zu etwa 98 Prozent aus Wasser besteht, schmeckt es dort vor allem nach Chlor, ungefähr so wie in einem Schwimmbad. Um die an soliden Chlorkaffee gewöhnte US-Bevölkerung von den Vorzügen ungechlorten Kaffees zu überzeugen, war die Entwicklung einer speziellen Starbucks-Wasserfilteranlage folglich unerlässlich. Dass Starbucks nun keine Kosten und Mühen scheute und eine solche Filteranlage auch mit nach Berlin gebracht hat, spricht für die Sorge um dauerhafte und weltweit stabile Qualität. Dass das Wasser hierzulande gemeinhin chlorfrei aus den Leitungen fließt und damit eine gründliche Chlorreinigung irgendwie ziemlich überflüssig macht, spricht nur für Starbucks’ Prinzipientreue und den nimmermüden Dienst am Kunden, der umso überzeugender ist, je nutzloser er bei näherer Betrachtung erscheint.
Ein weiteres, überaus interessantes Merkmal der Starbucks’schen Kaffeehauspolitik ist darüberhinaus die Auswahl der Musik. In einer Lautstärke, die Charakter und Wirkung eines perfekt aufgeschäumten Cappuccinos nicht überdeckt, läuft stets eine Auswahl von Neil-Young- und Alanis-Morissette-Werken. Selbst wenn Young und Morissette nicht aus den Lautsprechern singen, hat man das Gefühl, dass sie es täten, was jedoch auch mit der Inneneinrichtung zu tun haben kann, die jenen gewissen Hauch von unangepasster Landhausgemütlichkeit dezent unterstreicht – dunkel, holzig, abwaschbar und irgendwie eigen.
Es ist insofern natürlich Unsinn, zu behaupten, dass die Eröffnung der Starbucks-Filialen angesichts der bereits zahlreich eröffneten Starbucks-Epigonen sinnlos sei. Denn Starbucks, das Original, steht auch für ein Lebensgefühl, steht für die neue Wertschätzung der Kaffeebohne, für Eigensinn, Traditionspflege und Solidität. Es steht mithin für 98 Prozent allerklarsten Wassers und mindestens gute zwei Prozent Geschmack. Willkommen in Berlin! HARALD PETERS
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