: „Kontroversen erst noch austragen“
Für die PDS hat auch die soziale Stadtentwicklung hohe Priorität. Deshalb sollen im Gegenzug zur Streichung von Fördermitteln andere Instrumente wie Mietobergrenzen ausgebaut werden. Doch das erfordert noch eine Auseinandersetzung mit der SPD, meint der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf
Interview UWE RADA
taz: Herr Wolf, Wissenschaft und Bildung gelten in der rot-roten Koalition als Prioritäten. Der Bereich Wohnen und Bauen offenbar nicht mehr.
Harald Wolf: Doch. Das Thema soziale Stadtentwicklung ist nach wie vor ein wesentliches Thema in dieser Koalition. Gleichzeitig gibt es auch erheblichen Reformbedarf. So sind in den letzten zehn Jahren im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, aber auch bei der Stadterneuerung erhebliche Summen ausgegeben worden. Deshalb ist da auch der Konsolidierungsdruck besonders hoch.
Im Haushaltsentwurf zum Ressort Stadtentwicklung sind die bauliche Selbsthilfe und auch die Genossenschaftsförderung nicht mehr vorhanden. Hat das nichts mit sozialer Stadtentwicklung zu tun?
Das war ein Entwurf. Wir haben von Seiten der PDS in den Haushaltsberatungen darauf gedrängt, dass sowohl die Genossenschaften als auch die bauliche Selbsthilfe wieder berücksichtigt werden.
Mit Erfolg?
So wie es derzeit aussieht, ja. Nach den Vorgesprächen sieht es so aus, als ob wir da eine Lösung finden. Zumindest für die Genossenschaften, die schon im letzten Jahr in der Gründung waren. Das Gleiche gilt auch für die bauliche Selbsthilfe, sodass auch da weiter eine Förderung stattfinden kann. Zwar mit einer genaueren Überprüfung der Förderwürdigkeit im einzelnen, aber das Programm wird nicht, wie vorgesehen, eingestellt.
Wo hat die PDS in den Verhandlungen zum Stadtentwicklungsetat Niederlagen hinnehmen müssen? Die öffentlich geförderte Altbausanierung ist ja gestrichen.
Das ist schmerzlich, wie vieles in diesem Haushalt schmerzlich ist. Die entscheidende Frage wird sein, wie man den Wegfall der Steuerungsmöglichkeiten durch die öffentliche Förderung ausgleicht. Da geht es um die Frage der sanierungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalte. Da geht es auch um eine schärfere Kontrolle der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Und natürlich um das neuralgische Thema Mietobergrenzen.
Da hat Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) seine Position ja schon kundgetan. Wer sich höhere Mieten nicht leisten könne, sagt er, müsse eben wegziehen. Schließlich stünden genügend Wohnungen leer.
Das halte ich für eine falsche Position. Wir müssen auch auf die soziale Mischung in der Innenstadt achten. Eine Politik, die sagt, die Innenstadt und die Altbauquartiere sind den Besserverdienenden vorbehalten, und die sozial Schwachen sollen in die Großsiedlungen ziehen, ist für mich nicht akzeptabel.
Auf der einen Seite streicht man die öffentliche Altbausanierung, auf der anderen bleibt das Quartiersmanagement unangetastet. Wird da auch mit der PDS eine Politik betrieben, die nicht mehr an den Ursachen ansetzt, darunter auch den Mietpreisen, sondern nur noch an den Symptomen kuriert?
Es kann keine sinnvolle Strategie sein, da nur nachsorgend tätig zu werden. Deshalb müssen die Ordnungsinstrumentarien gestärkt werden. Dann bin ich auch der Meinung, dass Strieder seine restriktive Position zu den Mietobergrenzen aufgeben muss. Das wird ein Thema sein, das wir in der Koalition noch austragen müssen. Das war in den Koalitionsverhandlungen ja durchaus kontrovers.
Kippt die PDS bei den Mietobergrenzen ähnlich um wie beim Alexanderplatz?
Nein. Wir sind auch beim Alexanderplatz nicht umgekippt. Da waren die städtebaulichen Verträge im Wesentlichen abgeschlossen. Zu einer Reduktion der Planung hätte man nur im Einvernehmen mit den Investoren kommen können.
Der Bausenator will den Alexanderplatz zum größten Einzelhandels- und Bürostandort Berlins machen. Hat Berlin, auch mit einer rot-roten Koalition, noch immer nichts aus den überzogenen Wachstumserwartungen der letzten zehn Jahre gelernt? Diese Erwartungen haben das Land immerhin in die Pleite getrieben.
Am Alexanderplatz werden sich die Investoren wesentlich am Umbau, auch an den öffentlichen Infrastrukturinvestitionen, beteiligen. Ich selbst mache keinen Hehl daraus, dass ich die Alexanderplatzplanung immer schon für überzogen gehalten habe. Ich glaube auch, dass sich dieses Angebot an Dienstleistungsfläche über lange Zeit wirtschaftlich nicht darstellen lässt. Insofern gehe ich davon aus, dass die Investoren, wenn sie ihre Investitionen denn in den nächsten Jahren anpacken, das auch nur im Bereich der Sockelgeschosse tun.
Der Berliner PDS-Vorsitzende Stefan Liebich hat gesagt, die PDS müsse in der Koalition die Meinungsführerschaft erringen. Wenn man sich den Bereich Stadtentwicklung anschaut, kann davon keine Rede sein. Sie haben sich mit den Genossenschaften und der Selbsthilfe durchgesetzt, aber städtebaulich, auch am Alex, gibt nach wie vor Senatsbaudirektor Hans Stimmann den Ton an.
Für die Planwerksphantasien von Hans Stimmann gibt es immer weniger finanziellen Spielraum. Da ist ja auch in der Koalitionsvereinbarung ein entsprechender Vorbehalt.
Nennen Sie uns ein Beispiel?
Beim Spittelmarkt bin ich mit dem Finanzsenator einer Meinung. Dieser Umbau ist, wie ich meine, eine finanziell illusionäre Veranstaltung. Aber es gibt auch außerhalb der städtebaulichen Fragen wichtige Themen. Zum Beispiel die, wie man eine Sanierungsperspektive für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften hinbekommt.
In Berlin denkt man über den Abriss von 3.000 Wohnungen nach. Ginge es nach dem Bausenator, würde man vor allem in Marzahn abreißen. Wie sieht da die Position der PDS aus?
In klar definierten und begrenzten Fällen wird es sicherlich Abrisse und Rückbau geben. Aber das Programm Stadtumbau Ost, das wir als Land kofinanzieren, ermöglicht nicht nur die Förderung des Abrisses, sondern auch städtebauliche Aufwertung. Das heißt, es wird, wenn auch verlangsamt, auch in den Großsiedlungen weiterhin Sanierung und Aufwertung stattfinden.
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