: Rauchzeichen im Senat
Gesundheitssenatorin Knake-Werner drängt auf Schutz für Nichtraucher vor paffenden Kollegen. Doch die Bilanz zum Nichtrauchertag ist ernüchternd: Berlin ist Europas Qualmmetropole
von ADRIENNE WOLTERSDORF
Konsterniert sei sie gewesen, meint die Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner. Als der Kollege Gregor Gysi am vergangenen Dienstag die von ihm geleitete Senatssitzung kurzfristig vom strikten Rauchverbot befreite und gemeinsam mit dem Schulsenator im Sitzungsraum eine Kippe qualmte, konnte die oberste Gesundheitspolitikerin nur noch schweigend protestieren. „Rauchen kann nicht länger als Kavaliersdelikt durchgehen“ mahnt Knake-Werner daher im Hinblick auf den heutigen bundesweiten Nichtrauchertag.
Die PDS-Senatorin, selbst seit 25 Jahren rauchfrei, appelliert an mehr Eigenverantwortung der Arbeitgeber beim Schutz der Nichtraucher. Zwar gäbe es auf Vorgabe der EU voraussichtlich ab Juni eine neue Arbeitsstättenverordnung, aber „es muss ja nicht immer gewartet werden, bis ein Gesetz zum aktiven Nichtraucherschutz zwingt“.
Hehre Worte. Denn weder ist im Haus der Senatsverwaltung Rauchen generell verboten, noch sorgt die neue Bundesregelung mit der nötigen Konsequenz für gute Luft. Der Gesetzgeber, vermutet Wolfgang Niemann, Betriebsrat der Siemans AG und Mitdiskutant auf der gestrigen Podiumsdiskussion zum Thema, habe mal wieder der Tabaklobby nachgegeben. Neu wird im Paragraf 3 a der Arbeitsstättenverordnung (ArbStV) lediglich sein, dass, wenn ein Nichtraucher und ein Raucher am selben Platz arbeiten, Rauchverbot herrscht.
Für Gastronomie, Bars und Discos gelten jedoch weiterhin Ausnahmeregelungen. Kein Zigarettenstopp im Nachtleben der Hauptstadt also. Die Neuregelung schreibt zukünftig lediglich Nichtraucherecken und Belüftung vor. Ein großer Schwachpunkt, meint Niemann. Denn einer nicht rauchenden Kellnerin könne nur geraten werden, sich woanders einen Job zu suchen.
„Wir brauchen einen Mentalitätswechsel“, fordert Johannes Spatz, Sprecher des Forums Rauchfrei in Berlin. Seine Organisation führte jüngst eine Umfrage unter Berlins BezirksbürgermeisterInnen durch. Ergebnis: keine echten schwarzen Schafe. Aber so richtig konsequent sorgt keine der Bezirksverwaltungen für gute Luft. Nahezu alle lassen Zigarettenautomaten in ihren Rathäusern und Kantinen aufstellen. Einzig in Pankow steht das Rauchverbot sogar in der Hausordnung. Qualmig geht es dagegen in Mitte zu. Dort gibt es laut Umfrage keine schriftliche Regelung für den Nichtraucherschutz. Immerhin, für Tabak wird auf den Bezirksgrundstücken nicht mehr geworben.
Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland dem Anti-Raucher-Engagement der Nachbarstaaten hinterher, war sich die Expertenrunde einig. Insbesondere Berlin habe nach wie vor eine hohe Sterberate durch den blauen Dunst. Hier sterben jedes Jahr rund 3.500 Menschen an den direkten Folgen der Qualmerei. Hinzu kommen rund 2.000 mittelbar Betroffene, errechnete Johannes Spatz. Die neue Regelung sei keine Lösung, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, resümiert Gesundheitssenatorin Knake-Werner.
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