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Langer Atem: manchmal sichtbar

Das Versprechen der Breminale ist die Nacht: Kennen wir uns? Stehenbleiben, umdrehen, dazusetzen – lieber nicht. Oder etwa doch?

„Acht zu null, acht zu null, acht zu nuuu-uull“. Parallel auf der Breminale: Kinderprogramm. Die „Fonkstelle“, die die Betankung des Partyvolks ab 20 Uhr musikalisch begleiten wird, ist erst im Aufbau. Schlagzeug-Soundcheck. Alles ganz entspannt. Der Tag ist zum Erholen da. Das Versprechen der Breminale ist die Nacht.

Sonnenuntergang: Das Viertel läuft aus und überschwemmt die Weserwiesen. Großalarm — und alle sind da, um herauszukriegen, ob die Breminalen-Nacht hält, was sie verspricht. Drei Bühnen übersehen, tausende Gesichter ansehen, alte Bekannte wiedersehen. Alles aus der Bewegung heraus, kein Mensch weiß, an welchem Fleck des Areals die Breminale ihr Versprechen einlöst. Suche macht durstig. Gelöschter Durst führt nach oben, ganz nach oben, zu den sanitären Anlagen auf dem Fahrradweg. Schlange stehen. Kennen wir uns? Könnte sein, vom Sehen. Was sagen? Jetzt nicht. Beim nächsten Mal.

Es wogt. Leute telefonieren, um sich wiederzufinden, Leute stehen um Zelte herum, weil niemand mehr reinpasst und: weil es nicht regnet. Dasleistet der Bewegung im Freien Vorschub. Gesichterflut bei unterspülter Aufmerksamkeit. Bedürfnis nach Lagerbildung, nach Abseits. Wasser zu Wasser: Am Ufer gibt es keine Schlange, aber Nachbar-Pisser.Wenn wir uns noch nicht kennen, dann kennen wir uns ab jetzt. Alle haben sie heute falsch getippt. Alle tippen sowieso nur aus Spaß, kennen sich eigentlich gar nicht aus, haben eine Frauen-Tipp-Gemeinschaft organisiert. Wer gewinnt, bekommt eine Party geschenkt.

Kühl wird es, sichtbarer Atem aus Mündern und das Viertel fängt an, zu saugen. Es strömt zurück. Die Live-Musik ist vorbei, dabei ist die Nacht jung, es ist halb eins. Besucherkonzentration in der Open-Air-Disco, einem umfunktionierten Autoscooter. Alle Musik-Zelte werden ausgelüftet, die Seitenwände sind nach oben geklappt. Vor jeder Bühne jeweils ein Nachtwächter. Der Boden hat Bierdosen-Noppen und knackt, wenn man ihn überquert. Die Suche ist vorbei, der Durst nicht.

Punkt 2 Uhr ist Schluss mit Disco. Geringer Widerstand der Tanz-Grüppchen auf der immer noch gefüllten Autoscooter-Fahrbahn. Lag wohl auch an der Musik — elektronisch, langsam, eindimensional, Rausschmeißer-Musik. Leidenschaftslos wie der Pizza-Mann, der gutes Geschäft macht um die Zeit.

Auf dem Bierbank-Gerippe Richtung Innenstadt sitzt jemand alleine, raucht und hat noch einen geraden Blick übrig, sogar ein Lächeln. Kennen wir uns? Wir kennen uns so gut, dass es dafür reicht, sich umzudrehen auf ein zweites Lächeln. Stehenbleiben, umdrehen, dazusetzen? Um dann zu sagen: „Kennen wir uns?“? Kann nichts werden. Nächstes Jahr wieder.

Jakob Flex

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