: Ägypten verordnet Schweigen
Nichtregierungsorganisationen können nur noch mit staatlicher Erlaubnis aktiv werden. Kritiker sehen Trend, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens Opposition zu verhindern
KAIRO taz ■ Äußerst eng dürfte es in Ägypten für Menschenrechts- und Frauenorganisationen werden, nachdem das ägyptische Parlament am Montag mit großer Mehrheit ein neues Gesetz über Nichtregierungsorganisationen (NGOs) verabschiedete. Demnach muss eine NGO in Zukunft die Zustimmung des Sozialministeriums einholen, um sich als Verein registrieren zu lassen. Um ausländische Gelder und inländische Spenden anzunehmen, ist ebenfalls eine staatliche Genehmigung erforderlich.
Wer also in Zukunft Menschenrechtsverletzungen im Land anprangert, kann auf einfache Weise finanziell ausgetrocknet werden. „Ausländische Institutionen propagieren destruktive Ideen und mischen sich in die inneren Angelegenheiten Ägyptens ein“, lautete das Argument der Parlamentsabgeordneten gegen ausländische Gelder. Und als ob das noch nicht genug sei, sind den nichtstaatlichen Organisationen „politische Aktivität“ untersagt. Kamal Schazli, Minister für parlamentarische Angelegenheiten, erklärte während der Debatte um das neue Gesetz, dass es nicht die Aufgabe von NGOs sei, die Demokratie im Lande zu fördern. Organisationen, die sich nicht an das Gesetz halten, können in Zukunft per einfachen Verwaltungsbeschluss ohne jeglichen richterlichen Bescheid aufgelöst werden.
In ersten Reaktionen seitens der nichtstaatlichen Organisationen heißt es, dass die Regierung die NGOs offensichtlich nicht als Partner sehe. Amani Qandil, Chefin des „Arabischen NGO Netzwerkes“, bezeichnete das neue Gesetz als „einen Schritt zurück“. Es liefere die Organisationen der Willkür der Regierung aus, fügte sie hinzu. Auch internationale Organisationen hielten sich mit Kritik nicht zurück. Das Gesetz verstoße gegen die Internationale Konvention Politischer und Ziviler Rechte, die auch von Ägypten unterzeichnet wurde, lautet der Vorwurf des Pariser „Observatory for the Protection of Human Rights“.
Einige ägyptische Organisationen haben bereits angekündigt, das neue Gesetz schlichtweg ignorieren zu wollen. Andere fordern jetzt paradoxerweise, dass Präsident Mubarak das neue Gesetz ausgerechnet per undemokratisches Präsidialdekret aufheben soll.
Für den ägyptischen Menschenrechtsaktivisten Ahmad Seif al-Islam steht das neue Gesetz in einer ganzen Reihe von jüngsten Maßnahmen, mit der die Regierung in Kairo versucht, oppositionelle Arbeit zu verhindern. Vor wenigen Monaten fanden überall im Land Lokalwahlen ohne jegliche unabhängige Aufsicht satt. Einen Vorschlag der Opposition, diese unter richterliche Aufsicht zu stellen, wurde abgelehnt. Gleiches gelte auch für die vor kurzem abgehaltenen internen Gewerkschaftswahlen, in denen unliebsame Kandidaten erst gar nicht zur Wahl zugelassen worden waren. Außerdem deutet Seif al-Islam auf eine Zunahme von Strafverfahren gegen lokale Journalisten.
Im Stich gelassen fühlt sich Seif al-Islam nicht zuletzt auch von westlichen Regierungen. Regte sich bei diesen bei den Versuchen arabischer Regimes, demokratische Rechte einzuschränken, früher wenigstens gelegentlich ein wenig Protest, herrsche dort seit dem 11. September nur noch das große Schweigen. KARIM EL-GAWHARY
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