Die KPF kämpft ums Überleben

Die traditionsreiche Kommunistische Partei Frankreichs ist bei den Präsidentschaftswahlen gnadenlos abgeschifft. Trotzdem hält ihre Führung auch bei den bevorstehenden Parlamentswahlen am Zusammengehen mit den Sozialdemokraten fest

aus Paris DOROTHEA HAHN

Niemand auf dem Markt in der rue des Pyrénées hat die kräftigen Kerle kommen sehen. „Ungefähr 30 Männer“, wie Augenzeugen später sagten, „mit Schlagstöcken und Tränengasbomben.“ Wortlos gehen sie auf die Verkäufer der kommunistischen Zeitung Humanité zu. Ein paar Mitglieder der linksradikalen Antifagruppe „Ras l’Front“ und einige Anarchisten drängen sich dazwischen. Ein Parlamentskandidat der rechtsliberalen UDF ruft: „Hört auf“. Kurz darauf transportiert ein Krankenwagen die verletzten Kommunisten ab.

Der Überfall auf den Wochenmarkt im Pariser Osten, sieben Tage vor den Parlamentswahlen, ist nicht der erste. Schon vor den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr tauchte ein Kommando zwischen den Obstständen auf. Auch damals kamen die Schläger gleichzeitig mit flugblattverteildenden Kandidaten der Front National auf den Markt. Auch damals gingen sie auf die Kommunisten und Anarchisten zu und hinterließen Verletzte.

Das Ende des Kommunismus, der die französische Nachkriegsgeschichte geprägt hat wie sonst allenfalls noch die Gaullisten, ist ein erklärtes Ziel der Rechtsextremen. Die Front National arbeitet seit Jahrzehnten darauf hin. Als ihr Präsidentschaftskandidat Jean-Marie Le Pen am Abend des 21. April seine erste Erklärung machte, triumphierte er im selben Atemzug über sein eigenes gutes Ergebnis (16,86 Prozent) und über die nur 3,37 Prozent für den KP-Kandidaten. Le Pen nannte das eine „ausgezeichnete Nachricht für Frankreich“. Für die Kommunisten hat der Niedergang lange vor diesen Präsidentschaftswahlen begonnen. Seit Jahren sind ihre einst nah an die 30 Prozent reichenden Wahlergebnisse auf einstellige Zahlen gesunken. Nach jedem neuen Debakel verlangten parteiinterne Kritiker den Ausstieg aus der „sozialliberalen“ Regierung. Manchmal auch das Ende der „Mutation“. Dabei sind nacheinander der „demokratische Zentralismus“, die Kaderstruktur und alle möglichen anderen Instrumente über Bord gegangen. Und die KP verkam zu einem, so interne Kritiker, „charakter- und identitätslosen Anhängsel der Sozialdemokratie“. Ihre Mitgliederzahl sank nach eigenen Angaben von mehr als 700.000 im Jahr 1981 auf heute 150.000.

Die Kritiker haben sich nicht durchgesetzt. Der Apparat war zu stark. Die „reformerische“ Parteiführung, die drei kommunistischen Minister in der rot-rosa-grünen Regierung, die 35 Parlamentsabgeordneten und die tausenden von gewählten kommunistischen Notablen im Land hielten an der Zusammenarbeit mit der PS fest.

Bei der „Katastrophe“ des 21. April haben erstmals ein Grüner und zwei Trotzkisten die KP mit besseren Wahlergebnissen überholt. Bei der KP geht es jetzt um das schiere Überleben. Auch wegen der Millionenlücke in der Parteikasse. Und weil sie an diesem Sonntag ein neuerliches Wahldebakel riskiert. Und weil niemand in der Spitze mehr behaupten kann: Unser Kurs ist richtig.

Überall im Land diskutieren Foren über die Fehler. Rückhaltloser und selbstkritischer als alle anderen Mitglieder der verflossenen rot-rosa-grünen Regierung nennen die Kommunisten die Regierungsbilanz „nicht nur positiv“. Geben „Irrtümer“ und „Ambivalenzen“ zu, besonders in der Arbeitsmarkt- und der Sozialpolitik, und reden von zu weitgehenden Zugeständnissen an die Unternehmer. In der Zeitung Humanité schreibt eine Beamtin: „Wenn die KP überleben soll, muss sie zum Klassenkampf zurückkehren.“ Und ein Rentner: „Statt Kompromisse mit der PS müssen wir wieder die Arbeiterinteressen vertreten.“

Doch die Partei verharrt in der Umarmung mit der Sozialdemokratie, an der sie bereits fast erstickt ist. Daran hält sie auch bei den Parlamentswahlen fest. In den Wahlkreisen, wo ein rechtsextremer Erfolg droht und ein PS-Kandidat bessere Aussichten hat, zog die KP ihre Kandidaten zurück. Schon vor dem ersten Wahlgang. Zum ersten Mal in ihrer 81-jährigen Geschichte.