: Modell Hampelmann
Wissenschaftssenator Jörg Dräger stellte sich der Diskussion mit Studierenden und sagte doch nichts. Kritik und Besorgnis an seinen Plänen führen zu Protestaktionen an allen Hochschulen. Kunststudenten befürchten „Zerstückelung“ der HfbK
von KAIJA KUTTER
Es brodelt an allen Hochschulen. An der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) fiel gestern der Lehrbetrieb aus. Man wollte sich nur mit Drägers Hochschulgesetz und den Folgen beschäftigen. An der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) stehen alle fassungslos vor der Tatsache, dass ihr Präsident nur fast (die taz berichtete) abgewählt wurde. Und am Lerchenfeld warnen Studenten auf Plakaten von der „Gefahr der Zerstückelung“ ihrer Kunsthochschule und planen ein Zeltlager als Protest gegen „Drägers Hochschulmodernisierungsgesetz“. Und selbst an der fernen TU-Harburg hält AStA-Chef Henrich Quitmann den geplanten Abbau der Demokratie für ein „Riesenproblem“.
An der Uni strömten am Dienstagabend über hundert Zuhörer ins Hauptgebäude, um der ersten öffentlichen Debatte zwischen Dräger und Studierenden zu lauschen. Bange Frage: Wie kritikresistent ist dieser Mann, wie ernst ist es ihm wirklich mit seinem „Modernisierungsgesetz“, das die Hochschuldemokratie quasi abschafft? Und dies in einer Zeit, in der eine Strukturkommission „ohne Denkverbote“ (Dräger) die Hochschullandschaft auf Einsparpotenziale hin durchleuchten soll. Kann Dräger davon überzeugt werden, dass er „auf dem falschen Weg ist“, wenn er den Hochschulen Kompetenzen wie die Wahl des Präsidenten nimmt, wie es Uni-Präsident Jürgen Lüthje formuliert?
Doch die Zuhörer, die darauf eine Antwort erwarteten, wurden enttäuscht. Dräger versprach vage, dass sich nur etwas im „administrativen“, nicht aber im „akademischen Bereich“ ändern werde und verließ nach drei knappen Beiträgen den Saal. Dass er kaum zu Wort kam, lag aber auch an endlosen Monologen der Studierenden.
„Ich suche die öffentliche Diskussion, um Input zu bekommen“, hatte Dräger zur Begrüßung gesagt und noch einmal die bekannten Argumente für sein Gesetz wiederholt. Weil die Hochschulen perspektivisch mehr Autonomie bekommen – Berufungsrecht, Freiheit der Rechtsform – brauche man „adäquate Leitungsstrukturen“. Und weil in absehbarer Zeit die Professoren nach Leistung bezahlt werden, brauche man einen Präsidenten, der nicht von diesen gewählt wird. Stattdessen soll ein externer Rat den Hochschul-Chef bestimmen, der wiederum die Dekane der Fachbereiche wählt. Sollte sich der Rat nicht einigen, bestimmt der Senator selbst.
„Bei diesem Modell wird der Präsident zum Hampelmann der Behörde“, urteilt Christian Schomann vom AStA. „Und wenn er Hampelmann ist, ist es egal, ob er das Berufungsrecht bekommt oder nicht.“ Schomann stellte Dräger gezielte Fragen zu weiteren Gesetzespassagen, die dieser nicht beantworete. Ob es nicht ein Bruch der Koalitionsvereinbarung sei, Langzeitstudierende zu bestrafen, ohne wie versprochen die Studienbedingungen zu verbessern? Oder was genau der Passus meine, man wolle Studierende, die der Hochschule „schweren Schaden zufügen“, exmatrikulieren?
Uni-Präsident Jürgen Lüthje kritisierte wie erwähnt Drägers Leitungs-Pläne – „Eine Hochschulleitung ist etwas anderes als eine Kommandobrücke“ – lobte aber ausdrücklich den „Letter of Intent“ und die damit verbundene finanzielle Planungssicherheit für die nächsten drei Jahre: „Das ist die beste Ausgangsposition, die die Uni seit 10 Jahren hat.“ Auch in puncto Studiengebühren waren Uni-Chef und Senator auf einer Linie. „Es gibt kein Recht, auf unbegrenzte gesellschaftliche Finanzierung von Bildung“, sagte Lüthje. Es sei ungerecht, dass Arbeitnehmer das Studium finanzieren, deshalb seien auch „Gewerkschaften für Gebühren“, sagte Dräger.
„Stimmt nicht, Gewerkschaften haben Interesse an einem breiten Hochschulzugang“, sagte ein Vertreter der DGB-Jugend. Sie hätten auch ein Interesse am Erhalt eines inneruniversitären Demokratieverständnisses: „Als Vorbild für die Mitbestimmung in Betrieben“.
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