: Gifthuhn viel älter
Niedersächsisches Agrarministerium: Nitrofen schon seit einem Jahr in der Nahrungskette. Bund gewährt Sonderkredite für betroffene Bauern
BERLIN taz/dpa ■ Wahrscheinlich schon vor einem Jahr ist nach Angaben des niedersächsischen Agrarministeriums Nitrofen in der Nahrungskette. „Jetzt sind Nitrofen-Rückstände in Geflügelfleischprodukten vom September 2001 bekannt geworden“, erklärte der Staatssekretär Dietmar Schulz. Da die Mastzeit vier Monate beträgt, sei davon auszugehen, dass der niedersächsische Futtermittelhersteller GS agri bereits im Frühsommer 2001 belastetes Biofutter ausgeliefert habe. Schulz benannte auch die Zahl des möglicherweise belasteten Federviehs: 250.000 Stück.
In Mecklenburg-Vorpommern konzentrieren sich die Fahnder gestern auf neun so genannte materiell-technische Versorgungslager, in denen zu DDR-Zeiten Pflanzenschutzmittel deponiert waren. Landwirtschaftsminister Till Backhaus hatte erklärt, die Halle in Malchin sei möglicherweise nicht die einzige Verseuchungsquelle. Allerdings, so Ministeriumssprecherin Marion Zinke gestern: „Es gibt keine neuen Erkenntnisse.“ Neben der Malchiner Halle dient lediglich noch eine in Güstrow als landwirtschaftlich genutztes Lager: für Pflanzenschutzmittel. Die anderen seien entweder Baumärkte, Maschinenhallen oder abgerissen.
Die nordrhein-westfälische FDP versucht sich diesmal mit scharfen Angriffen auf die grüne Verbraucherministerin zu profilieren. Deren Agrarsprecher Felix Becker warf Renate Künast vor, sie stehe einer sachgerechten und ideologiefreien Landwirtschaftspolitik im Wege. Sichtlich gereizt reagierte die Verbraucherministerin in Berlin. „Keine Fragen zu Nitrofen“, erklärte Künast auf einer Pressekonferenz. Für heute hat sie eine Regierungserklärung im Bundestag angekündigt.
Der Bund will über die Landwirtschaftliche Rentenbank den geschädigten Ökobauern mit Krediten helfen. Nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums wird es Liquiditätshilfen wie bei der BSE-Krise geben. Wer allerdings Informationen verschwiegen habe, müsse sich auf saftige Schadensersatzforderungen einstellen. NICK REIMER
Liste mit wegen Nitrofen-Verdachts zurückgerufenen Produkten: www.vzhh.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen