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Schlappe für den Senat

Neue Streikaktionen für die angestellten Lehrer. Das Arbeitsgericht erkennt die Verhandlungs-Position der GEW an und setzt dem Senat eine Frist für ein förmliches Schlichtungsverfahren

Der Bremer Senat ist gestern vor dem Arbeitsgericht an einer saftigen Niederlage vorbeigeschlittert. Wenn das Gericht den Rechtsstreit zwischen Senat und GEW entscheiden müsste, so machte Arbeitsrichter Adolf Claussen deutlich, dann würde er gegen den Senat entscheiden. Das heißt: Die GEW darf als gewerkschaftliche Interessenvertreterin der angestellten Lehrkräfte zum Streik aufrufen. Vorerst aber schlug der Arbeitsrichter einen „Zwischenvergleich“ vor, den die beiden Parteien bis Montag, 15 Uhr annehmen müssen - sonst werde am Dienstag, 10 Uhr das Urteil verkündet.

Inhalt des „Zwischenvergleichs“: Senat und GEW einigen sich auf einen Schlichter und führen Gespräche über die Lösung des tariflichen Streitgegenstandes. Als Schlichter war zunächst der frühere Bildungssenator Horst von Hassel (SPD) im Gespräch, in dessen Amtszeit bezeichnenderweise 1980 die Entscheidung getroffen worden war, Lehrer grundsätzlich nicht mehr zu verbeamten. Unter Senator Willi Lemke (SPD) wurden dann alle Lehrkräfte unter 45 Jahren „nachverbeamtet“. Die 1088 angestellten LehrerInnen in Bremen und knapp 100 in Bremerhaven, die über dieser Altersgrenze liegen, fordern nun einen „Nachteilsausgleich“. Denn die verbeamteten Kollegen haben bis zu 500 Euro im Monat mehr in der Tasche.

Während gestern das Arbeitsgericht tagte, wurden sieben Schulzentren bestreikt. Angestellte LehrerInnen aus anderen Schulen waren zu diesen Streikzentren hinzugekommen. Um 14 Uhr veranstaltete die GEW dann eine Abschlusskundgebung. Jürgen Burger, Sprecher der GEW, erinnerte daran, dass in den letzten zehn Jahren insgesamt 1.000 Lehrerstellen abgebaut wurden. „Es ist wahr: Das Bildungsangebot in Bremen hat sich in den letzten zehn Jahren verschlechtert. Das wissen wir alle aus schmerzlicher Erfahrung. Und es ist empörend, wenn diejenigen, die durch ständigen Personalabbau und eine Chaotisierung der Schulstruktur einen großen Teil der Verantwortung tragen, mit dem Finger auf die Lehrkräfte zeigen.“

Auf der Kundgebung solidarisierten sich Sprecher von Ver.di bis hin zum Betriebsrat der Stahlwerke mit den Lehrern. Die DGB-Vorsitzende Helga Ziegert, die für die SPD in der Bürgerschaft sitzt, überbrachte die „uneingeschränkte Solidarität“ des DGB und forderte den Senat auf, die Schulen nicht kaputtzusparen. Dieter Reinken von der IG Metall stellte die rhetorische Frage, wer da im Rathaus denn den Bildungssenator Willi Lemke vorführen wolle.

Das Angebot, dass die verbeamteten Lehrer durch Mehrarbeit die Lohnaufbesserung der angestellten Kollegen finanzieren sollten, sei eine Provokation – da waren sich alle einig. Bei den Streikaktivitäten, so die GEW, sei die Solidarität der Beamten dadurch erheblich gestiegen.

In dem Bemühen, die eigene Argumentation nachzubessern, hatten die Vertreter des Finanzsenators vor dem Arbeitsgericht noch während der Verhandlung neues Material vorgelegt, insbesondere auch das interne Protokoll des Senats von einer Verhandlung mit der GEW, die am 30. April in Berlin stattgefunden hatte und über die strikte Vertraulichkeit verabredet gewesen war. Beide Seiten waren für diese Geheimverhandlungen nach Berlin gereist. Verhandlungsgegenstand war ein Kompromiss gewesen, nach dem ein Teil der Lehrkräfte über 45 doch verbeamtet werden sollte, aus kurzfristig dabei eingesparten Sozialversicherungs-Beiträgen hätte der Bildungssenator „personalkostenneutral“ die verbleibenden Angestellten besser besolden können. Die GEW wäre bereit, über diesen Vorschlag weiter zu reden, gescheitert ist der Kompromiss letztlich am Senat. Michael Mork, Geschäftsführer der GEW mit Arbeitskampferfahrung, meinte, der Senat als Arbeitgeber verhalte sich „unprofessioneller als private Arbeitgeber“. Hinzu komme der offensichtliche Konflikt zwischen Bildungsbehörde und Finanzressort, zwischen SPD und CDU in dieser Frage. Am kommenden Sonntag wird sich der Koalitionsausschuss auch mit diesem Thema befassen. Der Finanzsenator erklärte schon mal, dass er die Rechtsauffassung des Gerichtes nicht teile. Ob er der „freiwilligen Schlichtung“ zustimmt, wird nach der Koalitionsklausur mitgeteilt. K.W.

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