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Branche auf dem Sprung

Thermische Solaranlagen sind bislang fast ausschließlich auf Eigenheime zugeschnitten. Die Hersteller entdecken gerade den Markt für Großanlagen. Potenzial für Industriebauten ist enorm

„Die Aufträge für große Anlagen haben überproportional zugenommen“

Solarwärme boomt. Allein im Jahr 2001 wurden in Deutschland rund 900.000 Quadratmeter Kollektorfläche installiert. Das entspricht einem Wachstum von etwa 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Carsten Körnig, Geschäftsführer der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS), rechnet auch für dieses Jahr noch mit einem Wachstum von etwa 20 Prozent. Rund 90 Prozent der bislang installierten Anlagen entstanden auf Eigenheimen. Doch auch das Potenzial für Industrie- und große Wohnbauten ist gewaltig. Körnigs Vorstellung: „Großanlagen brauchen spezielle Förderungen, damit es sich für die Wohnungsbaugesellschaften rechnet, eine Kollektoranlage auf das Dach zu stellen.“ Auch auf Bürogebäuden und im Gewerbe könne sich solch eine Anlage rechnen.

„Ob sich die Installation einer thermischen Solaranlage in einem Gewerbe- oder Industriebetrieb lohnt, kann man nicht pauschal sagen“, erläutert der Ingenieur Martin Schnauss von der Solarpraxis Supernova AG, einem Zusammenschluss von Fachleuten, die Dienstleistungen im Solarbereich anbieten. Je höher der Wasserbedarf, so Schnauss, desto eher biete sich die Nutzung von Solarwärme an.

Thermische Solaranlagen könnten mittlerweile optimal dimensioniert werden und sind effizient, so Schnauss: „Ein Jahresnutzungsgrad von 50 Prozent ist bei solarthermischen Anlagen nicht mehr ungewöhnlich.“ Die nach wie vor starke Steigerung der Kapazitäten – in diesem Jahr soll die magische Grenze von einer Million Quadratmeter neu installierter Kollektorfläche überschritten werden – mache Großanlagen immer billiger. Schnauss sieht den Beginn eines Trends hin zum verstärkten Einsatz von großen Solarwärmeanlagen: „Schon im Hinblick auf die Entwicklung des Ölpreises wird die Solarthermie immer attraktiver.“ Die Investitionen für den Bau sind allerdings erheblich. Schnauss’ Rechnung: Eine Anlage von 1.000 bis 1.500 Quadratmetern, die für die Warmwasserversorgung von rund 100 Wohnungen konzipiert ist, kostet bei einer Flachdachkonstruktion 60.000 bis 75.000 Euro.

Simone Krüger, Marketing-Leiterin des Kollektorherstellers Ufe-Solar aus dem brandenburgischen Eberswalde, hält eine deutliche Verschiebung in Richtung Großanlagen trotz der bislang beträchtlichen Startinvestitionen für wahrscheinlich: „Insbesondere bei Neubauten lohnt sich eine Installation.“ Im Oktober 2001 wurde die von Ufe-Solar produzierte, größte thermische Solaranlage der neuen Bundesländer im brandenburgischen Hennigsdorf eingeweiht. Die Modernisierung des Cohnschen Viertels, ein Gemeinschaftsprojekt der Stadtwerke Hennigsdorf und der Hennigsdorfer Wohnungsbaugesellschaft mbH, wurde durch das Bundeswirtschaftsministerium gefördert.

Ein für das Vorzeigeprojekt maßgeschneiderter Großflächenkollektor eignet sich besonders für Anlagen ab 100 Quadratmeter Kollektorfläche. Durch eine Gesamtkollektorfläche von 854 Quadratmeter wird der Tagesbedarf an Warmwasser und Heizung von 358 Haushalten des Cohnschen Viertels zur Hälfte gedeckt. Die Anlage speist nach Angaben von Simone Krüger im Jahr 400 Megawattstunden in das Fernwärmenetz der Stadtwerke Hennigsdorf ein und demonstriere gleichzeitig, dass der Betrieb einer solch thermischen Großanlage technisch machbar und ökonomisch sinnvoll sei.

Andreas Christmann, Fachmann für Solarthermie bei Vaillant, ist skeptisch, was die Zukunft von Großanlagen jenseits solch prestigeträchtiger Referenzprojekte angeht. Das Unternehmen, einer von Europas größten Anbietern im Bereich Heizung und Warmwasser, produziert Anlagen, die für Eigenheime ausgelegt sind. „Das ist nach wie vor ein Segment mit Wachstumspotenzial.“

Beim Konkurrenten Viessmann sieht man das ein wenig anders. Produktleiter Tilman Schibel betreut eigens Projekte mit Großanlagen. Spezielle Produktlinien wurden dafür nicht entwickelt. Man kombiniert Kleinanlagen mittels einer besonderen Hydraulik, um die gewünschte Kapazität zu erreichen. „Die Aufträge für große Anlagen haben zugenommen“, berichtet Schibel. In den vergangenen Jahren habe Viessmann rund 35 Anlagen errichtet, die jeweils eine Kollektorfläche von mindestens 80 Quadratmetern hatten. Zu den Abnehmern gehörten Schulen und Krankenhäuser. Ein Vorzeigeprojekt des Unternehmens befindet sich auf dem Bundespresseamt in Berlin. Doch seien Bürogebäude wegen des geringen Wasserverbrauches eher die Ausnahme.

Solche Fragen kümmern Rudolf Ettl wenig. Der Projektleiter Vertrieb der Grammer KG Solartechnik aus dem bayerischen Amberg hat nämlich neben den marktüblichen Wasser-Wärme-Systemen noch etwas anderes im Angebot: Solar-Luft-Kollektoren. Durch diese Anlagen wird Kaltluft von außen erwärmt und ohne Tauscher ins Gebäudeinnere geleitet. Diese Lüftungssysteme sind für große Anlagen auf Büro- und Industriegebäuden entwickelt worden. Das Unternehmen mit den rund 20 Mitarbeitern produziert seit etwa 25 Jahren größere Anlagen, unter anderem für Turnhallen und Schwimmbäder. LARS KLAASSEN

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