DER EUROKURS STEIGT – UND NIEMAND FREUT SICH WIRKLICH: Hilfe, wir brauchen Wirtschaftswachstum
Seit zwei Monaten steigt der Kurs des Euro stetig. Zurzeit hat sich die nicht mehr ganz neue Währung von einem Stand von unter 87 US-Cent auf annähernd 95 berappelt. Der Schwächling, für den Europas Geld fast zwei Jahre lang gehalten wurde, kommt ganz offensichtlich zu Kräften – doch der Jubel bleibt verhalten.
Am ehesten noch freuen sich die Volkswirte. Sie werden eine tiefe Befriedigung darüber verspüren, dass ihre Thesen über das Zustandekommen von Wechselkursen ausnahmsweise einmal zutreffen. In den vergangenen zwei Jahren hatte es oft den Anschein, die Erklärungen der Ökonomen für die Euroschwäche seien nicht etwa fundierte Wissenschaft, sondern reine Kaffeesatzleserei. Diesmal dagegen klappt die Theorie, nach der Wechselkurse die unterschiedliche wirtschaftliche Stärke zweier Länder widerspiegeln. Denn der Euro wird aufgewertet, weil sich zeigt, dass es mit der konjunkturellen Erholung der Wirtschaft der Vereinigten Staaten doch nicht so weit her ist, wie es noch Anfang des Jahres den Anschein hatte.
Von den Politikern dagegen hört man erstaunlich wenig – viel weniger als noch vor zwei Jahren. Damals sank und sank der Eurokurs – und Finanzminister Eichel musste immer wieder versichern, dass die Regierung keinen schwachen, sondern einen starken Euro wolle. Unter denjenigen, die das bezweifelten, war CSU-Chef Edmund Stoiber besonders laut zu hören.
Dass der ehemalige Eurokritiker, der mittlerweile Kanzlerkandidat der Unionsparteien ist, derzeit lieber nichts zu diesem Thema sagt, hat seinen Grund – genauso wie das Schweigen von SPD-Minister Eichel. Denn beide Parteien brauchen ein gewaltiges Wirtschafswachstum, wenn sie auch nur einen Teil ihrer Wahlversprechen verwirklichen – sprich: bezahlen können – wollen. Wenn der Euro aber weiter steigt, verteuern sich auch die Exporte, und das dämpft bekanntlich die Konjunktur. Stoiber und Eichel wissen beide: Das hohe Wirtschaftswachstum des Jahres 2000 hatte die Bundesrepublik auch dem Exportboom zu verdanken, den der schwache Euro anheizte. KATHARINA KOUFEN
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