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EU droht mit Sanktionen

Deutschland muss im Nitrofenskandal mit Handelsverboten rechnen. Belgien sperrt deutsche Bioprodukte aus. Agrarstaatssekretäre fertigen Sonderbericht für Brüssel an. Neue Enthüllungen

BERLIN taz ■ Die deutschen Behörden wehren sich gegen den Eindruck der Europäischen Kommission, sie hätten den Nitrofenskandal nicht im Griff. „Es gibt keine zweite Quelle“ des vergifteten Biogetreides, sagte Alexander Müller, Staatssekretär von Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) gestern nach einer eilig einberufenen Sondersitzung.

Eine Lagerhalle der Norddeutschen Saat- und Pflanzenschutz AG (NSP) im mecklenburgischen Malchin gilt als der bislang einzige bekannte Herkunftsort. Außerdem habe sich in Putenwürstchen der Firma Meica, die Anfang September 2001 produziert worden waren, kein Nitrofen gefunden, erklärte Müller. Die Agrarstaatssektretäre von Bund und Ländern stellten gestern einen aktuellen Bericht zusammen, den sie sofort nach Brüssel schickten, um angedrohte Sanktionen zu vermeiden.

Spekulationen, es gebe möglicherweise eine weitere Herkunft des illegalen Pflanzenschutzmittels Nitrofen, hatten in Brüssel für Verwirrung gesorgt. Deshalb berät die Europäische Kommission heute über ein Handelsverbot für bestimmte biologisch hergestellte Geflügel- und Getreideprodukte aus Deutschland. Kommt die EU zu dem Ergebnis, Deutschland habe die Aufklärung nicht im Griff, könnte Brüssel ein Verkaufsverbot verhängen. Das würde zunächst zehn Tage gelten. Die fraglichen Waren dürften dann in keinem EU-Land verkauft werden – auch nicht im Bundesgebiet. Nach den Klarstellungen von gestern hält Staatssekretär Müller ein Handelsverbot für überflüssig.

Währenddessen hat Belgien bereits wesentliche Einschränkungen für den Handel mit Bioprodukten beschlossen. Importe, die aus deutschen Landen kommen, brauchen das Zertifikat „nitrofenfrei“ – sonst dürfen sie nicht über die Grenze. Größere Exporte nach Belgien werden damit einstweilen an den zu geringen Kapazitäten der Prüflabors scheitern. Mit EU-Recht ist das belgische Vorgehen allerdings nicht kompatibel: Die notwendige Erlaubnis aus Brüssel fehlt.

Die Entwarnung im Falle Meica war wichtig für Künast, weil man ursprünglich angenommen hatte, dass zum Zeitpunkt der Belieferung der Wurstfirma in Malchin gar kein Getreide eingelagert war. Logische Folge: Es müsste woandersher gekommen sein. Indes zeichnet sich ab, dass vergiftetes Biogetreide schon viel früher zu Lebensmitteln verarbeitet wurde, als bisher bekannt. Schon im Mai 2001 soll nach Informationen der taz eine Lieferung aus Malchin abtransportiert worden sein. Das stellte sich heraus, als die Mitarbeiter von Verbraucherministerin Renate Künast am Wochenende die Lieferlisten der NSP überprüften. Dabei fiel ihnen auch auf, dass eine vergiftete Fuhre Getreide vom 31. Juli auf den 30. November 2001 umdatiert worden war – eventuell um die Verunreinigung zu vertuschen.

Das Lager der NSP in Malchin diente bis in die 90er-Jahre als Aufbewahrungsort für Pflanzenschutzmittel. Rückstände davon sollen sich mit dem eingelagerten Biogetreide vermischt haben. HANNES KOCH

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