: Tod eines Menschenrechtlers
Die Umstände einer Schießerei in Gröpelingen sind noch immer unklar / Abdulkadir Akbaba starb an den Folgen einer Schussverletzung / Die Staatsanwaltschaft spricht von einem Unglücksfall
Der Tod von Abdulkadir Akbaba war ein Unglücksfall. „Die Kugel war ein Abpraller. Sie war nicht für den Verstorbenen bestimmt“, sagt der Staatsanwalt. Den FreundInnen des Erschossenen sitzt der Schock auch drei Wochen nach der Tat vom Pfingstmontag noch tief in den Knochen. „Ein sinnloser Tod“, sagen viele erschüttert, die den 43-jährigen Abdulkadir Akbaba, Vater einer vierjährigen Tochter, aus der MigrantInnen- und Flüchtlingsarbeit kannten.
„Kadir“ gehörte zu den GründerInnen des Internationalen Menschenrechtsvereins in Bremen. Er war anerkannter Flüchtling aus der Türkei. „Er war durch und durch politisch, auf eine beeindruckende Weise“, sagen FreundInnen. „Festgefahrene Ideologien mochte er nicht. Er nimmt jeden mit seinen Anliegen ernst“, verfallen manche noch unwillkürlich in die Gegenwart, wenn sie vom toten Freund sprechen, der in einen bewaffneten Ehestreit geraten war.
Viele glauben, dass „Kadir“ am Unglückstag wohl zu einem Beratungsgespräch in der Gröpelinger Wohnung einer Frau war, als dort Schüsse fielen, nachdem auch der getrennt lebende Ehemann der Frau eingetroffen war. Wie und warum es dazu kam, darüber ist außer ersten widersprüchlichen Angaben noch nichts bekannt.
Der Ehemann hatte sich zwar der Polizei gestellt, die Frau aber konnte wegen erlittener Schussverletzungen lange nicht verhört werden. Sie ist inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen worden, doch neue Erkenntnisse, was in der Wohnung vorgefallen ist, hat die Bremer Staatsanwaltschaft noch nicht. Der Getötete hatte im Auftrag der Arbeiterwohlfahrt ältere MigrantInnen betreut. FreundInnen aus ähnlichen Bereichen sind nun verunsichert. „Beratung, beispielsweise in der Flüchtlingsarbeit, braucht Vertrauen. Das wächst in privaten Räumen. Deswegen geht man auch dorthin“, sagen manche.
Das Schicksal von Abdulkadir Akbaba macht viele nun sehr nachdenklich. „Es gibt so viele Gerüchte“, sagen FreundInnen aus der internationalen Bremer Szene und von der Hochschule Bremen, wo der Getötete zuletzt Sozialpädagogik studierte. Sie lehnen jede Mutmaßung über den Vorfall ab. „Kadir würde das nicht wollen.“ Dabei trafen die ersten Unglücksmeldungen bei vielen einen empfindlichen Nerv. Denn anfangs war der erschossene Freund durch eine – später korrigierte – Polizeimeldung als der vom Ehemann angegriffene Liebhaber der Frau ins Gerede gebracht worden. Schüsse aus Wut? Folgen eines Streits zwischen türkischen Eheleuten?
Klischees, wie sie der getötete 43-Jährige immer kritisiert hätte, der Türke mit kurdischen Freunden, der als junger Mann insgesamt sechs Jahre lang in türkischen Gefängnissen gesessen hatte. Als Kommunist und Menschenrechtler. Details, die Bremer FreundInnen erst bei der Trauerfeier im Freundeskreis vom Bruder des Toten hörten. Da waren die Maschinen gerade abgestellt, die den schwer Verletzten vier Tage am Leben erhalten hatten.
„Wer im Exil lebt, behält vieles von der Zeit davor für sich“, wissen Freunde vom Menschenrechtsverein. In dem Findorffer Büro mischen sich politische Flüchtlinge unterschiedlichster Herkunft. Dass das funktioniert – „dazu hat Kadir den Grundstock gelegt“. Sieben Jahre liegt das zurück. Akbaba gehörte damals zu den Organisatoren des Streiks der Asylbewerber auf dem ehemaligen Asylschiff „Embrica Marcel“ gegen die unwürdigen Bedingungen in der Massenunterkunft. Das Schiff wurde später wegen sinkender Flüchtlingszahlen geschlossen, die Organisatoren des Streiks aber schon früher verlegt. Doch sie ließen nicht locker: Der Nigerianer Anthony Edeh, der Sri Lankaner Viraj Mendis und Abdulkadir Akbaba brachten verschiedene exilpolitische Strömungen zusammen.
„Kadir hat für klare Strukturen gesorgt“, erinnern Mitstreiter. Bald hätte Abdulkadir Akbaba sein Studium in Deutschland beendet. Es hätte eine Erfolgsgeschichte werden sollen. ede
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