„Mehr Netto für alle“

Bundesverband der Deutschen Industrie stellt zehn Forderungen an die kommende Bundesregierung: Staatsquote runter, Eigenverantwortung rauf. Bilanz von Schröder laut BDI negativ, Wiederwahl unwahrscheinlich. FDP mit dem besten Programm

BERLIN taz/rtr/dpa ■ Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat die Politik eindringlich zu Reformen ermahnt und einen Zehn-Punkte-Katalog mit Kernforderungen vorgelegt. „Wir brauchen eine andere Wirtschaftspolitik“, sagte BDI-Chef Michael Rogowski gestern in Berlin. Die Wahlprogramme der Parteien seien noch zu vage. Es genüge nicht, Ziele zu nennen, ohne einen konkreten Zeitrahmen zu setzen. Deutschland sei Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum und Spitzenreiter bei der Staatsverschuldung. Dennoch werde „so gut wie nichts“ dagegen getan.

BDI-Chef Michael Rogowski gibt der rot-grünen Koalition nach eigenen Worten derzeit keine Chance auf eine Wiederwahl im September, wenn er sich die Wahlumfragen ansehe. Alles in allem bewertete er die Leistungen der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder negativ: „Ich kann im Saldo nicht sagen, dass das eine besonders erfreuliche Bilanz ist – insbesondere nicht die Bilanz der vergangenen 18 Monate.“ Es gebe aber Punkte, „die gehen in die richtige Richtung“, sagte Rogowski. So hätten die Steuer- und die Rentenreform eine richtige Grundrichtung. Jedoch gingen die Ansätze nicht weit genug, weshalb bereits jetzt neuerliche Reformen in beiden Bereichen notwendig seien. „Auf dem Sektor Arbeitsmarkt erkenne ich überhaupt nichts, was in die richtige Richtung geht“, sagte Rogowski.

Nach seiner Einschätzung kommt das Programm der FDP den Vorstellungen des BDI am nächsten: „Ich mache keinen Hehl daraus, dass mein Credo sich an dem Begriff der Freiheit orientiert, und von daher finde ich im Programm der FDP viele Punkte, die mir außerordentlich gut gefallen.“

Überhaupt die Freiheit: Die SPD habe nicht das notwendige Maß an „Entfesselung“ und Schaffung von Freiräumen erreicht, um Deutschland wieder auf den Wachstumspfad zurückzuführen, so Rogowski. Deutschland steht nach seiner Auffassung vor einer „Richtungswahl“ im Herbst. „Ohne die Problemfelder wirklich anzugehen, werden wir nicht mehr Wachstum kriegen.“

Unter dem Motto Freiheit wagen“ forderte Rogowski die kommende Bundesregierung auf, sich an fünf Maximen zu orientieren: „Mehr Netto für alle“ (die Sozialversicherungsbeiträge sollen in acht Jahren von 41,3 auf 35 Prozent gesenkt werden, der Spitzensteuersatz in vier Jahren auf 35 Prozent herunter), „Mehr Investitionen statt Konsum“ (der BDI meint den Staat, dessen Investitionsrate soll von 11 auf gut 15 Prozent steigen), „Mehr Eigenverantwortung“ (darunter eine nachgebesserte Rentenreform und Hochschulgebühren und eine Senkung der Staatsquote von derzeit 48,5 auf 40 Prozent), „Weg mit der Überregulierung“ (unter anderem im Umwelt- und Unibereich) sowie „Mehr Markt am Arbeitsmarkt“ (weniger Kündigungsschutz, kein Recht auf Teilzeit, Tarifverträge flexibilisieren und anderes). REM

Der Bericht im Internet: www.bdi-online.de unter „Publikationen“

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