: Amtliche Rüge für Sarrazin
Rechnungshof kritisiert Auftragsvergabe in der Finanzverwaltung als unzulässig und mahnt zur „Achtung vor der Verfassung“. Grüne und CDU stellen Missbilligungsantrag
Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), bereits vielfach von der Opposition und teils auch im Regierungslager kritisiert, muss jetzt eine amtliche Rüge verkraften. Der Rechnungshof, Wächter über die Haushaltsführung des Landes, wirft ihm vor, einen 200.000 Euro teuren Prüfauftrag in unzulässiger Weise vergeben zu haben. In einem Bericht mahnt der Rechnungshof zu „Achtung vor der Verfassung“. Grüne und CDU wollen deshalb morgen im Abgeordnetenhaus einen Missbilligungsantrag stellen. SPD-Fraktion und Senat geben an, geschlossen hinter Sarrazin zu stehen. Der Senator reagiere „gelassen“, sagte ein Sprecher.
Die Hay Group, die für die Finanzverwaltung hausinterne Strukturen begutachten sollte, hatte den Prüfauftrag im Februar ohne Ausschreibung erhalten. „Vergaberechtlich unzulässig“, urteilt der Rechnungshof. Hintergrund des Auftrags ist Sarrazins Unzufriedenheit mit seiner eigenen Verwaltung. Für die CDU ist pikant, dass die Hay Group auch für die Deutsche Bahn Netz AG tätig war, in deren Vorstand Sarrazin bis Ende 2001 saß.
Der Rechnungshof sieht keine dringenden Gründe dafür, dass der Auftrag in einer Zeit ohne gültigen Haushaltsplan erfolgte, in der die Finanzverwaltung sonst zu äußerster Sparsamkeit mahnt. Erst Ende Juni beschließt das Parlament den Haushalt 2002/2003. Für den Rechnungshof schließt in einer derartigen Situation die „Achtung vor der Verfassung“ Ausgaben aus, die nicht zwingend erforderlich sind. Zugleich nimmt der Rechnungshof die Finanzverwaltung gegen die Kritik des Senators in Schutz. Von Sarrazin in einem Vermerk festgehaltene „gravierende Defizite“ seien weder aktenkundig noch mit Beispielen unterlegt. Man habe bei den Kontakten mit der Behörde „nie den Eindruck gewonnen, dass die ordnungsgemäße Tätigkeit dieser Verwaltung in einem Ausmaß gefährdet wäre, dass sofort Abhilfe geschaffen werden müsste“.
Sarrazins Sprecher Claus Guggenberger verteidigte den Prüfauftrag als Maßnahme der Haushaltskonsolidierung, die jährlich Millionen und damit ein Vielfaches der Kosten von 200.000 Euro einsparen könne. Die Auftragsvergabe sei nach interner Prüfung erfolgt. Die Kritik des Rechnungshofs ist für Guggenberger eine Frage der Auslegung: „Wir sehen das anders.“
Die erst von den Grünen, dann von der CDU beantragten Missbilligung Sarrazins sei als Rüge ohne praktische Folgen zu verstehen, „eine Art erhobener Zeigefinger“, so eine Parlamentssprecherin. Die SPD-Fraktion will den Antrag geschlossen ablehnen, die Haltung der PDS war bei Redaktionsschluss noch offen. Im Februar hatte die CDU-Fraktion erfolglos eine solche Rüge für den Regierenden Bürgermeister Wowereit wegen angeblichen Wahlbetrugs beantragt. STEFAN ALBERTI
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