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Tollen ohne Grenzen

Spielhäuser in Hamburg bieten eine kostenlose Alternative zu Kindertagesstätten – hervorgegangen sind sie aus Gerümpel-Plätzen

von PEGGY WOLF

Joline, Nadine, Curtis, Markus und etwa 20 andere Kinder klettern mutig auf dem Holzgerüst, toben ausgelassen über den Rasen oder spielen geschäftig mit Bausteinen in der Sandkiste. Ihre Eltern unterhalten sich an der Tischtennisplatte direkt vor dem Eingang des weißgestrichenen Hauses. Im „Spielhaus Wagrierweg“ des Bezirk Eimsbüttel, einem der insgesamt 42 Spielhäuser in Hamburg, hat wieder ein aktionsreicher Tag begonnen. Vormittags kommen die Drei- bis Sechsjährigen auf den Spielplatz des 120-Quadratmeter-Areals. Für den Nachmittag bereitet Spielhausleiterin Elke Bremer den Töpferkurs vor. Dann kommen die älteren Schulkinder. An anderen Tagen gibt es die Kurse im Werken, Tanzen oder Kochen.

Spielhäuser gibt es in jedem Bezirk Hamburgs und dahin kommen kann jedes Kind: Entweder mit den Eltern oder aber auch ganz allein. Ohne Anmeldung und kostenfrei wird es von den Spielhausmitarbeitern oder anderen Eltern betreut.

Die Träger der Einrichtungen unterscheiden sich von Stadtteil zu Stadtteil. Die finanziell stark abhängigen Angebote variieren somit je nach Budget. Einschränkungen durch den Senat im sogenannten Sachmittelbereich werden mit der Phantasie der Kinder und der Flexibilität der Spielhausbetreuer und nicht zuletzt auch durch die aktive Mithilfe der Eltern ausgeglichen. „Personalstreichungen sollte es aber keine mehr geben, sonst kann die Betreuung der Kinder einfach nicht mehr gewährleistet werden“, erklärt Elke Bremer, Diplom-Pädagogin und Leiterin im Spielhaus Wagrierweg.

Im Gegensatz zu Kindertagesstätten oder anderen Vorschuleinrichtungen wird die Zeit der Kinder im Spielhaus nicht „verplant“. Sie können kommen und dann entscheiden, wie sie die Stunden mit den anderen Kindern verbringen möchten, welches Angebot sie nutzen oder welche Veranstaltung sie wahrnehmen wollen.

Die Geschichte der Hamburger Spielhäuser reicht in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Das Problem vieler Kinder damals: Zwischen Minen, Blindgängern und Ruinen waren sie sich selbst überlassen – nirgendwo gab es einen „sicheren Platz“ zum Spielen“, sagt Elke Bremer. Dieser Zustand sollte geändert werden. In anderen Ländern gab es damals Projekte der freien Kinder- und Jugendarbeit. So auch in Dänemark – die sogenannten „Gerümpel-Plätze“ (scrammel-pladsen). Das waren pädagogisch betreute Spielplätze, auf denen Kinder mit verschiedenen Materialien eigene Spiel- und Gestaltungsideen entwickeln konnten.

Diese Idee wurde übernommen und konnte mit finanzieller Unterstützung des Deutsch-Amerikanischen Frauen-Clubs (DAFC) realisiert werden. Das erste Spielhaus in Hamburg wurde 1953 in den Wallanlagen eröffnet. Als Hort für unbegrenzten Spielspaß haben sie sich bis heute bewährt und bieten eine interessante Alternative zu den herkömmlichen Kindertagessstättenangeboten.

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