: Schlacht um den „Preußenfunk“
Die Regierungen von Berlin und Brandenburg haben endgültig den Staatsvertrag für die Fusion von SFB und ORB beschlossen. Personalräte und Gewerkschaften wollen trotzdem weiter gegen die Beschneidung der Mitbestimmungsrechte protestieren
von SUSANNE AMANN
Die Proteste haben nichts genutzt – vorerst jedenfalls. Noch bleiben die Parlamente, erst dann ist Schluss, erst dann will Hanne Daum aufhören zu kämpfen. „Bis zum Beweis des Gegenteils will ich einfach nicht glauben, dass gerade die SPD Arbeitnehmerrechte einschränkt!“
Hanne Daum ist Vorsitzende des Personalrates des Sender Freies Berlin (SFB), und sie kann es einfach nicht fassen. Eigentlich sollte sie sich freuen, dass das jahrelange Hickhack um die Fusion des SFB mit dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) endlich zu einem Ende kommt. Dass ein Staatsvertrag vorliegt, der am Dienstag von den Regierungen in Berlin und Brandenburg abgesegnet worden ist und nur noch die Zustimmung der Parlamente braucht.
Einzig, es gibt da eine Kleinigkeit in dem Vertrag, der zu wütendem Protest geführt hat – nicht nur von Hanne Daum. Denn künftig, so steht es in dem Entwurf, soll für die Mitarbeiter des neuen Senders nicht mehr das Landespersonalvertretungs-, sondern das Bundespersonalvertretungsgesetz gelten. Welches die Rechte für Arbeitnehmer drastisch einschränkt. Der Personalrat hat danach weder bei der Einstellung von Mitarbeitern noch bei deren fristlosen Kündigung ein Mitspracherecht. Auch schließt der neue Vertrag nicht wie versprochen betriebsbedingte Kündigungen aus, was die Arbeitsplätze von rund 400 der zurzeit 1.800 Mitarbeiter von SFB und ORB gefährdet. Dazu kommt, dass der Rundfunkrat den Intendanten demnächst auch im zweiten Wahlgang mit einer Zweidrittelmehrheit wählen muss – was den Vorwurf von zu viel Staatsnähe laut werden ließ, denn da sitzen die Vertreter der Parteien.
Kritik an der „Medienpolitik auf Kurfürstenart“ und „preußischem Absolutismus“ hagelte es nicht nur von den Gewerkschaftsvertretern von Ver.di und DGB. Eine Zustimmung der Berliner PDS zu dem jetzt vorliegenden Vertragsentwurf wäre schlicht bescheuert, ließ Lothar Bisky (PDS) seine Kollegen von Brandenburg aus wissen. Und auch die medienpolitische Sprecherin der Grünen in Berlin, Alice Ströver, hält nicht viel von dem Vertrag. „Das ist im Grunde ein stark auf den Intendanten fixiertes Modell, das völlig mitbestimmungsfrei über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden worden ist.“ Man habe damit, sagt Ströver, die Chance auf einen kreativen Rundfunk für die Region vertan.
Dass eine Fusion der beiden Sender sinnvoll und wünschenswert ist, darüber sind sich inzwischen alle Beteiligten einig. Nachdem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Senderfusion schon während der Koalitionsverhandlungen im letzten Herbst zu seiner „Herzenssache“ ernannt hatte, kamen die Verhandlungen zügig voran. Gelegentliche Störfeuer, vor allem vonseiten der brandenburgischen CDU-Fraktion, die um ihren Einfluss in dem neuen Sender fürchtet, sorgten zwar für Empörung, aufgehalten haben sie das Ganze aber nicht: Anfang letzter Woche legten Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) einen neuen Entwurf des Staatsvertrags für die gemeinsame Rundfunkanstalt vor. Danach soll der Sender, der im Juni 2003 mit dem wenig innovativen Namen Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) an den Start gehen will, seinen Sitz sowohl in Berlin als auch in Brandenburg haben, Intendant sollen weder Horst Schättle vom SFB noch Hansjürgen Rosenbauer vom ORB werden. Der zukünftige Intendant soll von den 30 Mitgliedern des Rundfunkrats bis Mitte nächsten Jahres gewählt werden – ein Rundfunkrat, der, so Alice Ströver, weder die gesellschaftlich relevanten Gruppen aus Berlin vertritt, noch dem „Anspruch eines öffentlich rechtlichen Senders gerecht wird“.
Die Idee, die beiden Sender zu einer gemeinsamen Landesrundfunkanstalt zusammenzuschließen, steht seit mehr als zehn Jahren im Raum. Man verspricht sich davon nicht nur mehr Programmmittel und größeren Einfluss innerhalb der ARD – mit einem Budget von rund 390 Millionen Euro und einem Programmanteil von 7 Prozent wird der neue Sender in der ARD etwa das Gewicht des Hessischen Rundfunks haben –, sondern hofft durch den Abbau von Doppelstrukturen und durch flachere Hierarchien auch auf erhebliche Einsparungseffekte und Programminnovationen.
Was eigentlich vernünftig klingt, ist in den letzten Jahren vor allem am Widerstand der Politik und an Eitelkeiten beider Sender gescheitert. War der SFB mit seinen alten, unter CDU-Herrschaft gewachsenen Strukturen der SPD ein Dorn im Auge, hielt die CDU wenig von dem abfällig als „Brandenburger Landfunk“ bezeichneten und als „Rotfunker“ verschrienen Sender aus Potsdam. Dazu kamen Debatten um finanzielle Altlasten des SFB, unterschiedliche Seh- und Hörgewohnheiten in Ost und West und der ewige Streit um den Intendanten.
Vorbild im positiven wie im negativen Sinn ist die vor vier Jahren vollzogene Fusion der süddeutschen Sender Südwestfunk (SWF) und Süddeutscher Rundfunk (SDR) zum jetzigen Südwestrundfunk (SWR). Während hier im Staatsvertrag sehr genau Programmstruktur und Inhalte sowie eine Personalobergrenze festgeschrieben wurden, bezeichnet Peter Völker vom Bundesvorstand von Ver.di die tariflichen Vereinbarungen der damaligen Fusion als optimal. „Tarifstandards und Arbeitsorganisation konnten wir damals im Vorfeld vereinbaren.“ Bei dem jetzt für den RBB vereinbarten Staatsvertrag ist es andersherum: Zwar bietet der Vertrag dem Intendanten große gestalterische Möglichkeiten, was die Programme angeht, um die Mitarbeiter kümmert er sich weniger.
Dass die Fusion trotz der aktuellen Kritik nicht mehr aufzuhalten ist, liegt auch am politischen Willen der Beteiligten. Denn sie gilt als Vorläufer für eine Länderfusion, die zwar 1996 in Brandenburg deutlich abgelehnt worden, als politische Idee aber nach wie vor vorhanden ist. Dass sich wenigstens die Rundfunkmitarbeiter aus Ost und West näher kommen, da ist sich Hanne Daum immerhin sicher. Denn: Der Protest vereint.
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