Machtmethoden à la Milošević

Die Demokratische Partei Serbiens verlässt das Parlament, nachdem 21 ihrer Abgeordneten das Mandat entzogen wurde. Premier Djindjć hat damit kein Problem und jetzt seine Wunschmehrheit. Kritiker sprechen von einem „sanften Staatsstreich“

„Ab heute existiert das Parlament Serbiens als Institution nicht mehr“

aus Belgrad ANDREJ IVANJI

Einer nach dem anderen gaben gestern Abgeordnete der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) ihre Identifikationskarten zurück und verließen demonstrativ das serbische Parlament. „Ab heute existiert das Parlamant Serbiens als Institution nicht mehr“, erklärte Dragan Maršićanin, Vizepräsident der DSS, verbittert. Es habe jegliche Legitimität verloren.

Die scharfe Reaktion der DSS, der Partei des serbisch-montenegrinischen Bundespräsidenten Vojislav Koštunica, erfolgte nach der juristisch umstrittenen Entscheidung des Parlamentsausschusses für administrative Fragen, 21 Abgeordneten der DSS wegen „unregelmäßiger Anwesenheit bei Sitzungen“ die Mandate zu entziehen. Der Vorschlag kam vom Präsidium der in Serbien regierenden Koalition DOS.

Das Präsidium behauptet, über die Mandate der DSS verfügen zu können, weil die aus achtzehn Parteien bestehende DOS – der auch die DSS formal angehört – mit Koštunica im Dezember 2000 die Parlamentswahlen in Serbien gewonnen hatte. Man dürfte „keine Kompromisse eingehen, wenn es heißt, Ordnung ins Land zu bringen“, erklärte Serbiens Premier, Zoran Djindjić, unter dessen Federführung die „faulen“ Abgeordeneten der DSS abgelöst wurden. Er sehe darin kein Problem, denn dies sei eine „moralische“ und keine „partei-politische“ Frage gewesen. „Wer nicht arbeitet, wird gefeuert“, sagte Djindjić. Das Parlament sei nun „deblockiert“ und könne die Reformen vorantreiben.

Kritiker des Premiers hingegen bezeichneten die Begründung Djindjić’ als „lächerlich“. Sein einziges Ziel sei gewesen, sich „gesetzwidrig“ eine bequeme Mehrheit im nach seinem Wunsch „maßgeschneiderten“ Parlament zu sichern. DSS-Abgeordnete hätten die Parlamentssitzungen nicht „geschwänzt“, sondern boykottiert, was eine legitime politische Methode sei. Dies sei die „Einführung einer Diktatur“, eine Art „sanften Staatsstreichs“, verkündete die DSS. Djindjić habe „den Wählerwillen gefälscht“, und zwar ganz in der „Manier von Milošević“.

In Belgrader Kneipen und Cafés hört man immer mehr unzufriedene Menschen, die von „Milošević’ Machtmethoden“ sprechen. Auch in den eigenen Reihen stößt Djindjić auf Kritik. So zeigt sich Bundesvizepremier Miroljub Labus als einer der Schlüsselleute für Reformen besorgt. Instabile Verhältnisse schreckten ausländische Investoren und Finanzinstitutionen ab.

Noch bevor den Abgerodneten der DSS die Mandate formal entzogen wurden, hatten Koštunica und die DSS eine serbische Schattenregierung gebildet, die sich der „repressiven“ und „korrupten“ Regierung Djindjić widersetzen soll. Die Animosität zwischen Präsident und Serbiens Premier hat sich so in einen offenen Machtkampf mit klaren Fronten verwandelt. Die DSS und die Opposition in Serbien fordern vorgezogene Parlamentswahlen als einzigen Ausweg aus der verwickelten Lage. Djindjić könne nicht aufgrund der Wahlresultate der DOS regieren. Denn die Bürger Serbiens hätten für die DOS gestimmt, weil diese von der DSS und Koštunica, dem populärsten serbischen Politiker, angeführt worden sei. Nun habe sich Djindjić von der DSS befreit und wolle „entgegen dem Willen des Volkes allein regieren“.

Djindjić ist gegen vorgezogene Wahlen, weil diese die „nötigen Reformen bremsen würden“. Der Premier hält die Exekutive fest in der Hand, von Beamtenschaft und Polizei ist vorerst kein Widerstand zu erwarten. „Zur Zeit Titos und unter der Herrschaft von Milošević habe ich für einen Rechtsstaat gekämpft. Das werde ich auch jetzt tun“, verkündete Staatspräsident Koštunica und kündigte unruhige Zeiten in Serbien an.