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Objekt oder Subjekt der Stasi?

Über Angela Marquardt sind Stasiakten aufgetaucht. Das 31-jährige PDS-Mitglied sagt jedoch, es habe lediglich die Stasi-Aktivitäten seiner Eltern verschweigen müssen

BERLIN taz ■ „Ich habe zu keinem Zeitpunkt wissentlich mit der Stasi zusammengearbeitet.“ Angela Marquardt, Bundestagsabgeordnete der PDS, dementiert die am Dienstag gegen sie erhobenen Vorwürfe, für den Geheimdienst der DDR tätig gewesen zu sein. Dass die 31-Jährige Kontakt mit der Stasi hatte, hatte „Spiegel Online“ geschrieben: 1987, also im Alter von 15 Jahren, hatte die Greifswalderin eine Erklärung unterschrieben, in der sie sich zur Kooperation mit der Stasi unter dem Pseudonym Katrin Brandt verpflichtete.

Nach der jetzigen Stellungnahme Marquardts war das Schreiben lediglich „eine Art Schweigeverpflichtung“. Zu einer aktiven Arbeit für die Stasi sei es nie gekommen. Sie sei also mehr Objekt für die Stasi gewesen, kein aktiv handelndes Subjekt, meint daher die PDS-Fraktionsführung.

Gegen die stellvertretende PDS-Vorsitzende, die seit 1998 im Bundestag sitzt, spricht der Wortlaut des von ihr unterzeichneten Schriftstücks: „Ich möchte, dass Feinde unschädlich gemacht werden und Menschen, die auf dem falschen Weg sind, geholfen wird“, und „Ich werde für alle für das MfS interessierende Fragen den mir bekannten Mitarbeiter informieren“, heißt es darin. Laut „Spiegel Online“ findet sich in der nur unvollständig vorliegenden Stasiakte unter anderem ein Dokument von 1989, in dem Marquardt über einen Sympathisanten des Neuen Forums berichtet, der zeitweilig vorhatte, sich über Ungarn in die Bundesrepublik abzusetzen.

In diversen Bundestagsausschüssen war die Existenz der Marquardt-Akte „IM-Vorgang I 612/87“ offenbar schon länger bekannt, wurde aber nicht öffentlich gemacht. Gegenüber der Presse äußerte sich die Bundestagsabgeordnete – abgesehen von dem schriftlichen Dementi – bislang nicht. Die PDS-Fraktion stellt sich hinter ihr Mitglied: Die Erklärung von 1987 wurde Angela Marquardt „von ihrer Mutter abverlangt“, erklärte gestern Fraktionschef Roland Claus. In Hinblick auf ihr damals jugendliches Alter und die Begleitumstände sei es „absolut glaubhaft“, dass sie nicht aktiv kooperierte. Es gebe überhaupt keinen Anlass, ihr jetzt Konsequenzen wie etwa die Niederlegung des Mandats zu empfehlen.

Marquardt hat erklärt, dass ihre Eltern beide für die Stasi gearbeitet haben. In der Wohnung der Familie waren regelmäßig Geheimdienstmitarbeiter zu Gast. Angela Marquardt habe damals nach eigener Aussage aber geglaubt, dass die Besucher einfache Bekannte und Freunde der Eltern seien. Weil sie einmal einen der Besucher auf der Straße grüßte, habe die Mutter sie aufgefordert, sich schriftlich zum Schweigen zu verpflichten, so Marquardt. Dies alles habe sie über die Jahre aber vergessen und erst nach den jetzt geäußerten Vorwürfen von ihrer Mutter erfahren. Auch der Freund der Familie, bei dem Marquardt ab Herbst 1987 wohnte, war bei der Stasi, wie die Greifswalderin nach eigener Aussage erst nach der Wende erfuhr.

In der PDS gilt Marquardt als Ziehkind von Gregor Gysi. Bislang hatte sich Marquardt als äußerst DDR-kritisch dargestellt. Erst nach der Wende sei sie zur PDS gekommen, der „Nachfolgerin der SED, in die ich vor der Wende niemals eingetreten wäre“. Ihre Themen in und um den Bundestag herum sind unter anderem Anti-Rassismus, Anti-Atom und Ähnliches. Voriges Jahr meldete sie in Berlin die Protestdemo gegen das Verbot der Revolutionären 1.-Mai-Demo an. CHRISTOPH SCHULZE

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