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Beredte Sprachlosigkeit

Bärenschwache Kinder – was nun, fragte sich das Abgeordnetenhaus. Doch die aktuelle Stunde zur Vorschulbildung geriet nicht gerade zu einem parlamentarischen Highlight

Bildung gilt als weiches Ressort, in der politischen Hackordnung liegt es nicht sehr weit oben. Deshalb tummelt sich im zuständigen parlamentarischen Ausschuss und auf den Sprecherposten der Fraktionen im Abgeordnetenhaus nicht gerade das, was man politische oder rhetorische Naturtalente nennt. Das gilt bereits für die Schulpolitik. Die Kindertagesstätten firmieren in der Hierarchie noch etwas tiefer.

„Vorschulische Ausbildung verbessern – gleiche Startchancen sichern“ lautete gestern das Thema der aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus. Doch wer sich angesichts der dramatischen Ergebnisse der Pisa-Studie und der Berliner Sprachstandserhebung „Bärenstark“ auf eine tiefgängige und zukunftsorientierte Debatte eingestellt hatte, sah sich enttäuscht. Dabei gibt es Grund genug: Nach den Ergebnissen von „Bärenstark“ werden in den Innenstadtbezirken 60 Prozent aller nichtdeutschen Erstklässler und immerhin 13 Prozent der deutschen dem Unterricht ohne intensive Sprachförderung nicht folgen können.

Bei der Bildung müssten Eltern wieder mehr Verantwortung übernehmen, forderte gleich zu Beginn die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Felicitas Tesch. „Wer seine Kinder sechs Jahre lang vor dem Fernseher parkt“, könne von der Schule kein Wunder erwarten. Dann zählte Tesch die Vereinbarungen von SPD und PDS zur Bildungspolitik auf und sah Berlin „auf dem richtigen Weg“.

Auch die PDS wiederholte im Wesentlichen die rot-rote Koalitionsvereinbarung. Besonders bizarr: Margrit Barth, die kinderpolitische Sprecherin der Fraktion, betonte die Rolle der Kita-Leiterin bei der Qualitätsentwicklung der Einrichtungen. Dumm nur, dass der rot-rote Senat ausgerechnet bei den Kita-Leiterinnen einsparen will.

Doch nicht nur für die Regierungsfraktionen, auch für die Opposition war die gestrige Debatte nicht gerade eine parlamentarische Sternstunde. Der CDU-Abgeordnete Sascha Steuer verglich die Sprachkompetenz Berliner Vorschüler mit der der Kinder „aus dem letzten Slum in Rio de Janeiro“, trauerte ein bisschen der heilen Familie aus Mutter, Vater und zwei Kindern nach und forderte dann die Rücknahme der Kürzungen bei den Kindertagesstätten.

Mieke Senftleben haben die in ihrer Dramatik vorhersehbaren „Bärenstark“-Ergebnisse erst „sprachlos“ gemacht – „und dann sehr zornig“. „Es reicht nicht, Eckpunkte aufzuzählen, Sie müssen sich langsam an Taten messen lassen“, rief die schulpolitische Sprecherin der FDP den rot-roten Bildungspolitikern zu. Dann schlug sie die Einführung der Vorschulpflicht und den vorläufigen Verzicht auf Fremdsprachenunterricht ab Klasse 3 vor.

Auch Özcan Mutlu (Grüne) warf Bildungssenator Klaus Böger (SPD) Untätigkeit vor. „Schon die Weddinger Sprachstandserhebungen von 2000 haben die Defizite eindeutig belegt“, sagte er. „Seither ist nichts passiert.“

Böger musste gestern zwar einiges einstecken, hatte letztlich aber leichtes Spiel. Nach diesen Redebeiträgen wirkte der Senator, der im Wesentlichen aufzählte, was Berlin zur Verbesserung der vorschulischen Ausbildung unternimmt oder zu unternehmen gedenkt, fast anregend. In einem jedenfalls muss man Böger Recht geben: „Nur was den Versorgungsgrad mit Kita-Plätzen angeht, sind wir bisher wirklich gut.“ SABINE AM ORDE

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