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Eine mutige Stimme des Protestes

Als erste Frau überhaupt bewirbt sich die Ärztin Massuda Dschalal um das Amt des Staatspräsidenten in Afghanistan

Mit einem hellgrünen Tuch fest um den Kopf gewickelt trat Massuda Dschalal gestern Vormittag bei Afghanistans großer Ratsversammlung (Loja Dschirga) ans Rednerpult und trug – meist ohne aufzublicken – in schnellem Tempo ihre Bewerbungsrede für das Amt des Staatspräsidenten vor. 188 Unterschriften der 1.600 Delegierten hatte sie für ihre Kandidatur gesammelt und damit die Hürde von 150 problemlos genommen.

Sie ist die erste Frau, die sich in dem kriegszerstörten islamischen Land überhaupt um dieses Amt bewirbt, und das ein halbes Jahr nach dem Sturz der Taliban, die Frauen unter die Burka zwangen und aus dem öffentlichen Leben verbannten. „Ich bin Ärztin, habe Afghanistan all die Jahre nie verlassen und arbeite für die Vereinten Nationen. Ich bin unabhängig und eine muslimische Frau.“

Mit diesen Worten stellte sich die 40-jährige Tadschikin vor, die aus Kabul stammt und Mutter dreier Kinder ist. Es sei gut, dass es wieder eine Loja Dschirga gebe, doch: „In dieser Loja Dschirga sitzen zu wenig Frauen!“ Dschalal forderte Gleichberechtigung, ging dann aber in ihrer nur einmal durch Beifall unterbrochenen Rede nicht mehr auf die Geschlechterfrage ein. Vielmehr präsentierte sie eine sehr lange Wunschliste, die von Krankenhäusern und Schulen über Computer, Büchereien und der Eisenbahn bis zu einem Afghanistan ohne Opiumproduktion, aber mit einer stabilen Währung reichte.

Ihre außenpolitischen Vorstellungen fasste sie mit dem Satz zusammen: „Wir wollen die Gewalt in der Welt beenden.“ Wie sie ihre Ziele erreichen will, sagte Dschalal genauso wenig wie der Favorit für das Präsidentenamt, der bisherige Interimsregierungschef Hamid Karsai, und der dritte Kandidat, der Geologieprofessor Mohammad Mahfus Nidai. Er war von demokratischen Gruppen nominiert worden, nachdem der Exkönig zum Verzicht auf eine Kandidatur gedrängt worden war.

Dschalal und Nidai sind Zählkandidaten, weil Karsai inzwischen die Unterstützung fast aller wichtigen Gruppen und des Auslands hat. „Dschalals Kandidatur richtet sich nicht gegen Karsai, sondern wir wollen zeigen, dass auch eine Frau antreten kann“, meinte die Delegierte Habiba gestern. Doch bis gestern war Dschalal auch in Frauenorganisationen nicht sehr bekannt. Dennoch meinte die Delegierte Sorghuna Wardak: „Ihre Kandidatur ist der erste Schritt, die Haltung der Männer gegenüber den Frauen zu verändern. Wir erheben damit eine Stimme des Protestes.“

Befragt nach der Kandidatur seiner Frau meint Dschalals Mann, der Professor an der Universität von Kabul ist und als Anhänger der Nordallianz gilt, dass der am vergangenen Dienstag zurückgetretene Innenminister Junis Kanuni ihr bei einer Niederlage die Vizepräsidentschaft versprochen hat. Es ist schwer einzuschätzen, ob an diesem Versprechen etwas dran ist.

Doch zahlreiche Befragte in Kabul halten Dschalal für längst nicht so unabhängig, wie sie sich selbst gern darstellt. Viel unterstellen ihr, mit der Präsidentschaftskandidatur in erster Linie auf einen Sitz im 111-köpfigen Übergangsparlament zu spekulieren, das auch aus der Loja Dschirga hervorgehen soll. Dafür sei der Auftritt gestern eine Werbung gewesen. Mut hat Massuda Dschalal jedenfalls bewiesen. SVEN HANSEN

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