Karsai für Einheit

Präsidentschaftswahlen in Afghanistan: Der aussichtsreichste Kandidat will das Land wieder aufbauen und die Korruption bekämpfen

KABUL taz ■ Der bisherige afghanische Interimsregierungschef Hamid Karsai ist gestern Abend von der Großen Ratsversammlung (Loja Dschirga) aller Voraussicht nach zum Übergangspräsidenten gewählt worden. Dem 44-jährigen Karsai hatten bereits bei der Kandidatenkür zwei Drittel der 1.600 Delegierten ihre Unterschrift gegeben. Außer Karsai kandidierten die erste weibliche Bewerberin in der Geschichte des Landes um das Präsidentenamt, die Ärztin Massuda Dschalal, und der von einem Bündnis demokratischer Gruppen aufgestellte Hochschulprofessor Mahfus Nadai. Bei Redaktionsschluss dauerte die Auszählung noch an.

Karsais Wahl galt jedoch als sicher, seit am Montag der von vielen zur Kandidatur gedrängte frühere König Sahir Schah dies auf Druck des US-Sondergesandten ausgeschlossen und für Karsai geworben hatte. Karsai kandidierte mit einer emotionalen, halbstündigen Rede, in der er an die Einheit der Afghanen appellierte. Die von der internationalen Gemeinschaft in Aussicht gestellten Milliardenbeträge für den Wiederaufbau seien eine „einmalige Chance“, die nicht verspielt werden dürfe. Er versprach, die Korruption zu bekämpfen. Warlords, die Teil seiner Regierung sind oder ihm Unterstützung zusagten, stellte er als ehrenwerte Männer dar. „Abdul Raschid Dostum hat mir gesagt, er wolle kein Soldat mehr sein“, so Karsai. Auch einfache Taliban seien keine Terroristen. Diese seien vielmehr aus dem Ausland gekommen. Für seine Rede, die er zunächst in Paschtu und dann in Dari hielt, bekam er Standingovations.

Am Mittwoch hatte die Loja Dschirga bis weit nach Mitternacht über das Präsidium der Versammlung entschieden. Der Verfassungsjurist Ismail Kasemiar, der schon das Vorbereitungskomitee geleitet hatte, wurde zum Versammlungsleiter gewählt. Die Frauenministerin Sima Samar wurde seine Stellvertreterin. SVEN HANSEN

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