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Eine runde Sache

Mit Investitionen von 54 Millionen Euro wurde die letzte Lücke im innerstädtischen S-Bahn-Netz geschlossen. Ende 2005 sollen auch Fern- und Regionalbahn auf dem Nordring betriebsbereit sein

von KLAUS BABEL

Die letzte Etappe der grundlegenden Modernisierung und Wiederinbetriebnahme des S-Bahn-Rings ist abgeschlossen. Mit Investitionen von 54 Millionen Euro wurden auf dem drei Kilometer langen Abschnitt zwischen den Bahnhöfen Westhafen und Gesundbrunnen zwölf Brücken erneuert, der S-Bahn-Damm saniert, Gleise, Stromversorgung, Signal- und Sicherungstechnik errichtet, rund 4 Kilometer Lärmschutzwand und der S-Bahnhof Wedding neu gebaut.

Die Wiederbelebung des 37 Kilometer langen S-Bahn-Rings begann vor gut einem Jahrzehnt. Der nördliche Teil der Ringbahn wurde zugleich ein wichtiger Bestandteil des neuen Berliner Fernverkehrskonzeptes. Am Nordring wird seit 1995 gebaut.

Der rund 17 Kilometer lange nördliche Abschnitt des Rings hat auch im neuen Berliner Fernbahnkonzept eine wichtige Funktion. Er verknüpft die Fernverkehrsstrecken aus Richtung Westen, Norden und Osten mit der neu entstehenden Nord-Süd-Verbindung der Bahn. Rund eine Milliarde Euro werden in den Ausbau des Nordrings investiert, und davon entfallen rund 380 Millionen Euro auf die S-Bahn.

Auf der für Geschwindigkeiten bis zu 100 Kilometer pro Stunde optimierten Trasse des nördlichen Innenrings werden zwischen Grunewald, Ruhleben und Pankow rund 78 Kilometer Fernbahngleise sowie zwischen Westend und dem Nordkreuz knapp 36 Kilometer S-Bahn-Gleis wieder aufgebaut oder neu verlegt. Insgesamt 181 Ingenieurbauwerke entstehen: 6 Bahnhöfe, 16 Hochbauten, 39 Brücken, 13 tunnelartige Bauwerke mit 4.211 Metern Länge sowie 107 Stützmauern und Signalausleger. Allein für die S-Bahn waren 60 Weichen – ohne zeitweilige Bauweichen – zu verlegen. Außerdem entstehen 6 Stellwerke sowie für die 750-Volt-Gleichstromversorgung der S-Bahn 5 Unterwerke, 2 Schaltstellen und sogar eine Art Kleinkraftwerk – die „Abnehmeranlage Nord“ für die Stromeinspeisung aus dem Landes- in das Versorgungsnetz der S-Bahn.

Ein Schwerpunkt des Baugeschehens ist das im Bahnhofsdreieck Bornholmer Straße, Schönhauser Allee, Gesundbrunnen gelegene „Nordkreuz“ mit seinen zahlreichen Unter- und Überführungen. Bis zum Jahr 1961 gab es vollwertige S-Bahn-Verbindungen nur von Nordbahnhof über Gesundbrunnen und Bornholmer Straße zur Wollankstraße beziehungsweise nach Pankow (Nord-Süd-Bahn) sowie von Wedding über Gesundbrunnen zur Schönhauser Allee (Ringbahn). Mit dem Bau der Mauer wurden die Ringbahn und die Verbindung Pankow–Nordbahnhof unterbrochen. Als Ersatz entstand die so genannte „Ulbricht-Kurve“ von der Schönhauser Allee Richtung Pankow. Am neuen Nordkreuz werden die Bahnen künftig aus jeder Richtung in jede Richtung fahren können. Das hatte eine komplette Umgestaltung der S-Bahn-Gleise zur Folge.

Ein besonderes Bauwerk entsteht mit dem Bahnhof Gesundbrunnen. Bereits heute ist er wieder als S- und U-Bahnhof ein bedeutender Nahverkehrsknoten für den Nordosten Berlins, künftig wird er auch das „Tor zum Norden“ für Fern- und Regionalbahnen. Nach seiner kompletten Inbetriebnahme werden fast 200.000 Fahrgäste täglich den Bahnhof passieren. Im Bahnhof entstanden bereits zwei S-Bahnsteige, in den kommenden Jahren werden drei Fern- und Regionalbahnsteige hinzukommen.

Für den Wiederaufbau und den Ausbau des Nordrings begannen vor zehn Jahren die Planungen. Für die 44 Bauabschnitte des Gesamtvorhabens sind insgesamt rund 20 Baurechtsverfahren durchzuführen. Die Mehrzahl der Verfahren konnte zwischen 1996 und 1998 abgeschlossen werden, einige Verfahren sind noch im Gange. In einigen Fällen haben sich im Laufe der mitunter langwierigen Genehmigungsverfahren oder aufgrund von erfolgreichen Klagen gegen die Beschlüsse des Eisenbahnbundesamtes erhebliche Änderungen und Umplanungen ergeben. Planung und Realisierung dieses Projektes zogen sich entsprechend in die Länge.

Änderungen haben sich auch aus Planungen des Berliner Senats ergeben. So bestellte der Senat 1999 „Vorsorgemaßnahmen“ für eine vom Land Berlin geplante neue S-Bahn-Linie S 21 vom Nordring über den Lehrter Bahnhof und den Potsdamer Platz Richtung Süden. Diese Planungen führten zu einer Verschiebung der Inbetriebnahme des letzten Teilstücks auf dem S-Bahn-Ring auf Juni 2002 und damit um ein halbes Jahr. Kurzfristig mussten Umplanungen, Genehmigungsverfahren, Vergabe und Bauausführung vorbereitet und umgesetzt werden. Es entstanden zwischen den Stationen Westhafen und Wedding zwei zweigleisige Tunnel von 845 Metern Länge sowie acht Stützwände mit insgesamt 919 Metern Länge zur Ausfädelung der Gleise aus Richtung Westen und aus Richtung Osten in Richtung Lehrter Bahnhof.

Der Bauablauf durfte den S- Bahn-Verkehr in Nord-Süd-Richtung nicht behindern. So mussten die Betriebsgleise der S-Bahn-Strecken mehrfach die Lage wechseln und erreichten erst nach unzähligen Zwischenzuständen ihre endgültige Lage. Der Bahnhof Gesundbrunen wuchs ebenso scheibchenweise wie die Bauwerke am Nordkreuz und am S-Bahnhof Bornholmer Straße. Auch Altlasten, Kontaminationen und Munitionsfunde erschwerten den Bau.

Am 26. März 2001 wurde der Endzustand für die Nord-Süd-S-Bahn erreicht und der zweite S-Bahnsteig im Gesundbrunnen in Betrieb genommen. Damit war Baufreiheit geschaffen für den nächsten Schritt: die Inbetriebnahme der Gleise zwischen Schönhauser Allee und Gesundbrunnen sowie Pankow, Bornholmer Straße, Gesundbrunnen am 17. September 2001. Diese Inbetriebnahme erlaubte die Einrichtung eines „Dreiecksverkehrs“ Schönhauser Allee, Gesundbrunnen, Bornholmer Straße, um die „Ulbricht-Kurve“ von Pankow nach Schönhauser Allee 39 Jahre nach ihrer Errichtung außer Betrieb zu nehmen. Das wiederum war die Voraussetzung, die Bauwerke am Nordkreuz zu vollenden. Im Sommer 2003 wird dann auf neuer Trasse der Betrieb zwischen Schönhauser Allee und Pankow über Bornholmer Straße wieder aufgenommen. Der letzte Lückenschluss im S-Bahn-Ring bedeutet aber noch nicht den Abschluss der Bauarbeiten an Ring und Nordkreuz: Ende 2005 sollen die Gleise und Bahnsteige der Fern- und Regionalbahn auf dem Nordring betriebsbereit sein.

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