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Schmetterbälle gegen die Hallenlobby

Bei den Vodafone-Open am Alexanderplatz unterstreichen deutsche Beachvolleyballer mit einem dritten Platz ihre internationale Klasse und die zunehmende Abkopplung vom Hallensport. Doch dem sandigen Sport fehlen trotz attraktiver Spielregeln mehr Sponsoren und TV-Präsenz

Moderator Jörg Schlockermann hatte seine Mühe. Auf dem „Nivea“-Turm kommentierte er ein Nebenplatzmatch, als ihm eine brasilianische Fangruppe drei Meter darunter lautstark Paroli bot. Sie feierten den Achtelfinalsieg ihrer Landsmänner Pará und Harley gegen David Klemperer und Niklas Rademacher bei den Vodafone Open. Doch die jahrzehntelange Dominanz der Brasilianer – und auch der Amerikaner – ist Vergangenheit, wie das am Sonntag zu Ende gegangene internationale Herrenturnier des Weltverbandes FIVB bewies.

Um die 150.000 Dollar Preisgeld hechteten 64 Teams nahe dem Alexanderplatz, wobei auch deutsche Vertreter ganz vorne mitpritschten. So verloren die brasilianischen Topfavoriten Ricardo und Loiola gegen Christoph Dieckmann und Andreas Scheuerpflug und verpassten den Einzug ins Achtelfinale. Zwar scheiterte das Berliner Nachwuchsduo Hannes Ambelang und Manuel Rieke in der Qualifikation, aber mit den an Platz sechs gesetzten Markus Dieckmann und Jonas Reckermann zog zum ersten Mal ein deutsches Duo ins Halbfinale ein. Dort unterlagen sie nur äußerst knapp den Brasilianern Pará und Harley in drei Sätzen, sicherten sich aber Platz drei gegen die Kanadier Child und Heese. Seit Jahren hatte kein deutsches Team mehr bei einem hochkarätigen Wettbewerb so gut abgeschnitten. „Es ist ganz nett, zur Weltspitze zu gehören“, kommentierte der 23-jährige Reckermann bescheiden, aber glücklich.

Aufgrund der Leistungen sei die Qualifikation von zwei deutschen Herren- und Damenteams für Olympia 2004 in Athen realistisch, meinte Frank Mackerodt. „Die deutschen Hallenteams hinken leider hinterher“, sagt der Geschäftsführer der Firma M.N.P., die die Organisation der Beachvolleyballtour übernimmt. Ein weiteres Indiz der Tendenz, dass es zu einer Trennung im Volleyball kommt: AthletInnen, die gleichzeitig in der Halle und auf Sand spielen, werden aussterben; an einer Spezialisierung führt kein Weg vorbei. „Bei Markus und Jonas sieht man, dass sie nicht mehr in der Halle spielen“, sagte Tourmanager Mackerodt in Anspielung auf das beste, in der Weltrangliste auf Platz 17 geführte deutsche Team Dieckmann/Reckermann.

Trotz „starker Hallenlobby“ akzeptierte der Deutsche Volleyball Verband diese Entwicklung. So trägt der DVV artig die Kosten für Training und Reisen nach Südamerika oder Asien. Da macht es sich gut, dass neben Handyriese Vodafone weitere Firmen wie Nivea und Bacardi die 450.000 Euro teure Veranstaltung finanzieren. Weitere Sponsoren sind gesucht, doch eine geringe TV-Präsenz ist hinderlich.

Das Deutsche Sport Fernsehen (DSF) präsentiert zwar wöchentlich eine halbstündige Sendung, aber Liveberichte vom Turnier gibt es nicht. Die übrigen Sender feiern Beachvolleyball vor allem als Marginale ab. Dabei änderte der FIVB extra einige Regeln für höhere Telegenität. Das auf 8 mal 16 Meter verkleinerte Feld erlaubt längere und spektakulärere Ballwechsel. Eine Gruppenvorrunde wurde eingeführt, ab dem Achtelfinale ging's per K.o.-System ins Finale.

Dieses entschieden die Brasilianer Pará/Harley in einem hochklassigen Match gegen die Argentinier Baracetti/Conde in drei Sätzen für sich, da sie die bessere Tagesform erwischt hatten. Und Moderator Schlockermann hatte erneut Mühe, sich gegen die brasilianischen Fans durchzusetzen. MARCUS VOGT

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