: Langes Mutter-Prämie
Das letzte Kindergartenjahr vor der Schule soll beitragsfrei werden, aber nur für Mütter, die nicht arbeiten. Kita-Träger fürchten zudem Abbau von Krippenplätzen, weil ältere Kinder den Vorzug haben sollen. Jugendpolitiker bremsen Kita-Gutscheinsystem
von KAIJA KUTTER
„Wir wollen keine ‚zurück an den Herd‘-Politik. Jede Frau soll arbeiten, wenn sie möchte“, beteuert Bettina Pawlowski, die jugendpolitische Sprecherin der CDU. Gemeinsam mit ihren Kollegen von FDP und Schill-Partei hatte sie erst am Montag rund 500 Kita-HeimleiterInnen ins Rathaus geladen, um von der Basis zu hören, was sie von dem rot-grünen Kita-Card-Projekt hält, das vom neuen Senat nahezu unverändert als „Kita-Gutscheinsystem“ übernommen wird.
Immerhin haben die Parlamentarier bewirkt, dass die für Ende Mai geplante Unterzeichnung einer Qualitätsvereinbarung mit den Trägern, die als „Startschuss“ für die umstrittene Reform gewertet wird, auf den 2. Juli verschoben wurde. Und weil Pawlowski und Co. nun auf Basis der Anhörung ein Positionspapier erarbeiten wollen, bitten sie den auch für Kitas zuständigen Senator Rudolf Lange (FDP) in einem Brief um nochmaligen Aufschub. Pawlowski: „Wir wollen das vernünftig machen.“
Derweil ging aus Langes Haus eine Drucksache in die Behördenabstimmung, die es in sich hat. Ab 1. August 2003 soll der Kindergarten für 5-Jährige kostenfrei sein. Allerdings nur für jene, die einen Vierstundenplatz belegen. „Das ist Langes Küchenprämie für alle Mütter, die zu hause bleiben und nicht arbeiten“, höhnt der SPD-Jugendpolitiker Thomas Böwer. Denn mit einer vierstündigen Betreuung, das ist klar, lässt sich kaum ein Job vereinen. Mütter, die den dafür nötigen sechs- oder achtstündigen Platz belegen müssen, sollen für ihre 5-Jährigen weiter den vollen Preis zahlen.
Begründet wird dieser Schritt mit der „bildungspolitischen Signalwirkung“ die von einem kostenlosen Angebot ausgehe. Auch wolle man den Kindergarten der ebenfalls kostenlosen Vorschule gleichsetzen. Die im Koalitionsvertrag versprochene Beitragsfreiheit von Kitas wird hingegen als „ungewiss“ verschoben.
Die Drucksache, über die der Senat kommende Woche bei den Haushaltsberatungen entscheiden wird, geht noch weiter. So hofft man, dass 300 Eltern das „kostenfreie und für die Stadt kostengünstigere“ Angebot wählen und die teureren Teiltagsplätze eingespart werden können. Die so erbrachte eine Million Euro soll die erwarteten Mindereinnahmen von fünf auf vier Millionen Euro senken.
Hamburgs Kita-Heimleitungen, das wurde bei der Anhörung am Montag deutlich, fürchten ebenfalls eine frauenfeindliche „Zurück an den Herd“-Politik. Zwar hatte Lange im Rathaus betont, die Frage der Kita-Bewilligungskriterien sei noch nicht entschieden. Doch in den städtischen Kitas kursiert eine neue Rangliste der Behörde, die Berufstätigkeit nach ganz hinten stellt und – gravierender noch – innerhalb dieser Gruppe eine „Rangreihung“ nach Wartezeit und Alter des Kindes vorschlägt. Hierbei hätten 0- bis 3-jährige Krippenkinder die schlechtesten Chancen. Da im neuen System keine Plätze mehr vergeben werden, sondern nur noch Gutscheine, fürchten die Träger um die Existenz der Kleinkindbetreuung.
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