Ein bisschen Fußball für den lieben Führer

Nordkoreas kommunistische Führung würde gern verheimlichen, dass die WM im kapitalistischen Süden stattfindet

PJÖNGJANG taz ■ In einem abgedunkeltem Raum der ehemaligen bulgarischen Botschaft stöhnt und schluchzt eine Gruppe von Fußballfans: „Oahh“ – „Oh Neiiiin!!!“ – „Go! Go! Go!“ – „Tooor!!!“ Es sind Töne, wie sie in diesen Tagen überall auf der Welt zu hören sind. Doch Nordkorea ist kein normales Land. Hier, im Clubraum der ausländischen Gemeinde in Pjöngjang steht der einzige Fernseher Nordkoreas mit Satellitenempfang, der nicht nur für die Führung zugänglich ist.

Diplomaten, UNO-Angehörige und die Mitarbeiter internationaler Hilfsorganiationen verfolgen Aufstieg und Fall ihrer Mannschaften. Nordkoreanisches Hilfspersonal muss allerdings draußen bleiben. So verbreitet sich die Nachricht vom Sieg der südkoreanischen Landsleute über Italien zunächst nur durch Flüsterpropaganda. Nordkoreanische Fußballfans können die Spiele frühestens am nächsten Tag im Staats-TV sehen.

Die Weltmeisterschaft ist eine willkommene Abwechslung im faden nordkoreanischen TV-Alltag, das Zirkus und Reden, Loblieder auf die Armee und Huldigungen auf den „Großen“ Kim Il- Sung und seinen Sohn, den „Lieben“ Führer Kim Jong-Il, bis zur Erstarrung wiederholt.

Die beiden Sender übertragen aber auch längst nicht alle Begegnungen. Das liegt nicht nur daran, dass sich die Nordkoreaner die Aufzeichnungen der Spiele auf Umwegen beschaffen müssen, weil sie sich weigern, für die Übertragungsrechte zu zahlen. Wichtiger noch: In Nordkorea sind die Spiele ein Politikum. Jahrzehntelang hat die Regierung in Pjöngjang ihren Untertanen erklärt, dass die Landsleute im Süden viel schlechter dran sind als die Menschen im Arbeiterparadies der Kim-Dynastie. Direkte Kontakte sind bis heute nahezu unmöglich. Nichts fürchten die nordkoreanischen Machthaber daher so sehr wie Fernsehbilder von der WM aus einem wohlhabenden und erfolgreichen Südkorea, dessen Fußballteam in luxuriösen Stadions vor jubelnden Massen spielt – und auch noch gewinnt.

Deshalb prüfen Zensoren vor der Übertragung streng alle Kameraeinstellungen und schneiden Heikles heraus. Tabu sind südkoreanische Fans mit den Trikots der „Roten Teufel“ ebenso wie südkoreanische Fahnenmeere auf den Tribünen. Dass Nordkorea gar nicht erst zu den Ausscheidungswettkämpfen für diese WM angetreten war, „liegt daran, dass wir gerade erst eine schwere wirtschaftliche Krisenzeit durchlaufen haben“, sagt ein Funktionär in Pjöngjang und meint damit die Hungerkatastrophe, bei der hunderttausende – vielleicht gar Millionen – Menschen in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre ums Leben kamen.

Viele Südkoreaner hoffen, dass der Fußball die strikte Trennung des Landes überwinden helfen könnte. Möglicherweise werden sich am 8. September in Seoul erstmals in der Geschichte des seit über 50 Jahren geteilten Landes Kicker aus Nord- und Südkorea zu einem Freundschaftsspiel treffen. Die nordkoreanische Seite habe bereits zugestimmt, eine 40-köpfige Delegation von Spielern und Betreuern nach Südkorea zu schicken, heißt es in Seoul. JUTTA LIETSCH