: Innovativer Streichkatalog
Die Hartz-Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes, von Kanzler Schröder persönlich eingesetzt, plant einen Katalog der Grausamkeiten, wie etwa Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau. CDU und FDP sind angetan. Das Arbeitsministerium schweigt
von HEIDE PLATEN
Das Bundesarbeitsministerium reagierte gestern verhalten auf die vorzeitige Veröffentlichung der Zwischenergebnisse der so genannten Hartz-Kommission. Das Gremium zur Reform des Arbeitsmarktes war zu dem Schluss gekommen, dass das Arbeitslosengeld nur noch zwölf Monate lang gezahlt werden könne, Arbeitslosenhilfe höchstens zwei Jahre. Diese solle dann eine Kombination aus einem Lebensunterhalt auf Sozialhilfeniveau mit individuellen Qualifizierungszulagen sein. Nach zwei Jahen solle sie, analog zur Sozialhilfe, nicht mehr von der Bundesanstalt für Arbeit (BA), sondern von den Kommunen finanziert werden. Der Katalog enthält außerdem die Abschaffung der Kinderzulagen und der Vorruhestandsregelung.
Das 15-köpfige Gremium ist als Chefsache von Bundeskanzler Gerhard Schröder entstanden, nachdem im Februar dieses Jahres bekannt geworden war, dass von der BA vermittelte Stellen größtenteils nur in der Statistik existiert hatten. Schröder hatte den Personalvorstand des Volkswagenwerkes, Peter Hartz, persönlich gebeten, unabhängig eine ehrenamtliche Kommission zu besetzen. Deren Ergebnisse sollen die Basis für eine gründliche Reform der Arbeitsmarktsteuerung in der nächsten Legislaturperiode bilden.
Ministeriumssprecherin Elisabeth van der Linde nahm vorerst inhaltlich keine Stellung zu den Eckpunkten des Papiers. Es sei Teil eines größeren Konzeptes. Man erwarte sich von der Kommission allerdings „innovative Vorschläge“, die dann in Absprache mit den Kommunen auf die Möglichkeiten „ihrer verwaltungsmäßigen Umsetzung“ geprüft werden müssten. Gesetzliche Änderungen müssten ohnehin „eine Mehrheit im Parlament finden“.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Matthias Wissmann, erklärte gestern, der Bericht enthalte „interessante Elemente“. Er vermute jedoch, der derzeitigen Regierung fehle „der politische Wille“, die dazu notwendigen Schritte tatsächlich umzusetzen. Sein Kollege Dirk Niebel von der FDP gratulierte der Kommission. Sie habe die Vorschläge der FDP aufgegriffen.
IG Metall-Vorstand Horst Schmidthenner dagegen rügte den Bericht, den er so im Auftrag einer rot-grünen Regierung nicht erwartet habe. Es wäre besser, stattdessen das Job-Aqtiv-Gesetz konsequent umzusetzen, Arbeitslose besser zu betreuen und das Arbeitslosengeld zur Förderung von Arbeitsplätzen einzusetzen.
Die Hartz-Kommission beriet ihre Teilergebnisse gestern in Berlin. Ein endgültiger Bericht soll am 16. August vorgelegt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen