Hauptstadt auf Mittelmaß

Berlins Gymnasiasten liegen beim Pisa-Bundesländervergleich bei der Lesekompetenz auf dem elften Platz. Die besten Matheschüler schaffen es auf Rang zwei. Brandenburg gehört zu den Schlusslichtern

In Bayern darf nur jeder fünfte Schüler auf das Gymnasium, in Berlin jeder dritteSPD-Bildungssenator Klaus Böger will jetzt das Zentralabitur einführen

von SABINE AM ORDE

Richtig gut sind sie nicht, aber die befürchtete Katastrophe ist auch ausgeblieben: Berliner Gymnasiasten rangieren beim bundesweiten Schülerleistungsvergleich Pisa im unteren Mittelfeld. Das geht aus dem Bundesländervergleich des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung hervor, der der taz vorliegt.

Beim Leseverständnis, von den Pisa-Forschern als Schlüsselkompetenz angesehen, belegen die hiesigen Gymnasiasten in der Rangliste der 16 Bundesländer punktgleich mit Hessen den elften Platz. Mit ihrem Ergebnis liegen sie leicht unter dem Bundesländer-Durchschnitt. Bei den mathematischen Leistungen sind sie auf Rang 12, bei den naturwissenschaftlichen Kompetenzen auf Platz 8. Damit schneiden sie besser ab als die beiden anderen Stadtstaaten, Hamburg und Bremen. Und besser als Brandenburg: Das Nachbarland gehört zu den Schlusslichtern.

Eine kleine Gruppe der Berliner Gymnasiasten allerdings ist besser als das deutsche Mittelmaß: Bei den Mathematikleistungen der fünf Prozent leistungsstärksten Schüler pro Bundesland landet Berlin auf Platz zwei, direkt hinter dem deutschen Pisa-Sieger Bayern. Und das, obwohl Berlin bei den Gymnasien eine ganz andere Politik verfolgt: Das Bundesland des Unions-Kanzlerkandidaten setzt auf rigide Selektion, nur jeder fünfte Schüler darf hier aufs Gymnasium. In Berlin ist es jeder dritte. Das ist weit mehr als im Bundesdurchschnitt.

Zufrieden ist Bildungssenator Klaus Böger (SPD) damit nicht. Insgesamt sei das „kein gutes Ergebnis“ für Berlin, sagte er. „Es bestätigt uns aber in dem Reformkurs, den wir bereits eingeschlagen haben.“ Als Reaktion auf die Pisa-Ergebnisse will Böger zum Jahr 2006 das Zentralabitur einführen. Er räumte ein, dass Bayern als deutsches Pisa-Spitzenland sehr gut sei. „Es fehlt aber an der Breite“, erklärte Böger. Bei der Chancengleichheit habe Berlin mit seinem sehr hohen Anteil von Abiturienten Vorteile gegenüber Bayern: „Wir müssen auch die Teilhabe an der Bildung sichern.“

Am heutigen Montag will Böger sein Konzept für eine Reform der gymnasialen Oberstufe und eine Verkürzung der Schulzeit vorstellen. In der Vergangenheit hatte er bereits seine Sympathie für das Mainzer Modell erkennen lassen, nach dem Schüler nach 12,5 Jahren Abitur machen.

Wirklichen Widerstand gegen das Zentralabitur, einst in der Berliner SPD als konservatives Teufelszeug verschrieen, wird im Abgeordnetenhaus nicht erwartet. Allein die Grünen äußern sich kritisch. „Das Zentralabitur ist keine Lösung für die Bildungsprobleme Berlins“, sagte ihr schulpolitischer Sprecher, Özcan Mutlu. Es bestehe die Gefahr, dass die Schüler vor allem auf die Prüfung getrimmt würden, andere Kompetenzen dafür nicht gefördert würden. „Statt jetzt auf die Gymnasien zu starren, müssen wir die Kindertagesstätten und die Grundschulen fördern“, fordert Mutlu. Nur so könnten bessere Schüler nachwachsen. Richtig begeistert vom Zentralabitur ist allerdings die schulpolitische Sprecherin der SPD auch nicht. „Skeptisch“ sei sie, sagte Felicitas Tesch. Widerstand aber will sie ihrem Bildungssenator nicht entgegensetzen. „Gegen diese bundesweite Tendenz kann man sich nicht wehren.“

Insgesamt haben in Berlin rund 850 Schüler an 25 Gymnasien an der Pisa-Studie teilgenommen. Weil der Rücklauf an Haupt-, Real- und Gesamtschulen nicht bei den notwendigen 80 Prozent lag, tauchen sie, wie berichtet, im Pisa-Ländervergleich nicht auf.

brennpunkt SEITE 6, interview SEITE 22