: Freud trifft Hopper
East meets West. Chinesische Maltechnik begegnet dem kapitalistischen Realismus: Chen Yun Wang in der Galerie „Art & Henle“, die anders als ihr Galerist Stefan Henle gelegentlich konzeptuell träumt, kein Kunstsupermarkt ist
China ist näher als man glaubt. Jedenfalls in den Bildern von Chen Yun Wang, die auf den ersten Blick wirken, als hätte es die einsamen, statuarischen Gestalten des amerikanischen Malers Edward Hopper in die wüste Sinnlichkeit eines Lucian-Freud-Gemäldes verschlagen.
Das wichtigste Element dieser Bilder ist das Wasser. In kühl gekachelten Pools sieht man Menschen schwimmen, sich selbstvergessen räkeln und oft in der Farbe fast versinken. Einmal spiegeln sich Häuser in einem nächtlichen Gewässer, ein anderes Mal sieht man Kinder in einen breiten, grünen Fluß springen. Aber manchmal breitet sich vor dem Auge des Betrachters auch ein Blumenmeer aus: riesige, wild gefärbte Amaryllisblüten, mit einem Pinselstrich gemalt, dass man im Bild lesen kann, wie in einer chinesischen Kalligrafie. Am Rand der großen Leinwand sieht man dann plötzlich Autos parken. Im vorliegenden Fall einen VW und einen Peugot – realistisch gemalt bis ins Detail. East meets West. Chinesische Maltechnik begegnet dem kapitalistischen Realismus.
Der chinesische Maler Chen Yun Wang wurde 1959 in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan geboren. In China hat er Kunst studiert und später unterrichtet. In China hatte er auch als Künstler erste Erfolge, bevor er 1991 nach einem Künstlerausstausch mit der Braunschweiger Hochschule für Bildende Kunst (HBK) nicht zurückkehrte. In Braunschweig, wo er seitdem lebt, studierte er noch einmal Malerei. Inzwischen beginnen seine Bilder Furore zu machen, auf denen traditionelle chinesische Malerei, sozialistischer Realismus und die Bildsprache der zeitgenössischen Westkunst eine ironische und gelegentlich hinreißend emotionale Verbindung eingehen. 1998 war Wang Kaiserring-Stipendiat in Goslar. Im Jahr 2000 widmete ihm die Kunsthalle Wilhelmshaven eine Einzelausstellung. Seine jüngsten Arbeiten sind nun in der Galerie „Art & Henle“ in der Gartenstraße zu sehen. Die Galerie ist noch jung, und gehört zu einer ganzen Reihe von Galerien, die sich in den letzten zwei Jahren zwischen Chaussee- und Torstraße angesiedelt und inzwischen lose zur „Kunst Mitte Nord“ zusammengeschlossen haben, während sie auf ein kunst- und kauffreudiges Publikum hoffen.
„Man kann die Menschen nach Kunst süchtig machen, das habe ich schon gemerkt. Bloß darf die Einstiegsdroge nicht zu teuer sein.“ Der 1966 geborene Galerist Stefan Henle träumte eigentlich von einem Kunstsupermarkt mit mehreren Etagen: je höher, desto teurer. Aber eben immer mit Objekten, die für jeden erschwinglich sein sollten. Auch jetzt, wo es nicht mehrere Etagen, sondern die großzügig umgebauten Räume einer ehemaligen Berliner Eckkneipe wurden, achtet er bei jeder Ausstellung darauf, dass es immer auch Arbeiten unter Tausend Euro gibt. Ein anderes Merkmal der Galerie ist der Blick nach Osten. Im letzten Jahr waren es Arbeiten der jungen koreanischen Malerin Kyung-hwa choi-ahoi. Irgendwann in der nächsten Zeit will Henle junge bulgarische Kunst vorstellen. Vorläufig kann man sich noch an der Farbpracht der Bilder von Chen Yun Wang berauschen. ESTHER SLEVOGT
bis 27. April, Gartenstraße 9, Di-Fr. 13–19, Sa 11–17 Uhr
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