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„Zeitarbeit schafft keine neuen Jobs“

Achim Vanselow vom Institut Arbeit und Technik über die Kooperation von Arbeitsämtern mit Leiharbeitsfirmen in Nordrhein-Westfalen

taz: Die Hartz-Kommission möchte, dass Arbeitsämter wie Leiharbeitsfirmen agieren. NRW kooperiert bereits mit einer Leiharbeitsfirma, die Tariflöhne zahlt. Sie haben das Projekt wissenschaftlich begleitet. War es erfolgreich?

Achim Vanselow: Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Vorschlag der Hartz-Kommission, wie er im Moment vorliegt, und dem Start-Modell in NRW: Bei Hartz kann der Leiharbeiter zwischen den Leiharbeitsphasen durch Arbeitslosenhilfe unterstützt werden. Eine echte Leiharbeitsfirma wie Start muss die Arbeitskraft in diesen Phasen selber unterhalten. Das wird unter Umständen teuer – und dann wird doch entlassen. Auch Start musste deshalb immer wieder Arbeitslosen kündigen. Dieses Risiko bestünde bei dem Hartz-Vorschlag nicht. Das klingt also erfolgversprechend.

Leiharbeit hat auch ein schlechtes Image, weil bis zu 40 Prozent unter Tarif bezahlt wird. Hartz kündigte nun an, LeiharbeiterInnen bekämen Tariflöhne. Ist damit jegliches Manko der Leiharbeit beseitigt?

Das Start-Projekt zahlt auch Tariflöhne. Aber es gibt natürlich andere, private Leiharbeitsfirmen, die gar keine oder eigene Tarifverträge haben, deren Löhne niedriger liegen. Die haben dann natürlich einen Wettbewerbsvorteil. Allerdings stellte sich bei unserer Betriebsbefragung zum Start-Projekt heraus, dass Firmen nicht nur finanziell kalkulieren, sondern auch nach Qualität: Schicken die uns Leute, die auf den Arbeitsplatz passen? Start ist bei diesen qualitativen Aspekten gut weggekommen. Start ist nicht vom Markt verdrängt worden und trägt sich mittlerweile selbst.

Wie groß ist die Gefahr, dass aus regulären Stellen Zeitarbeitsstellen werden?

Die Gefahr besteht. Aber die Gelehrten streiten sich darüber, wie groß sie ist. Wenn eine Firma flexibilisieren will, dann tut sie das heute schon. Leiharbeit ist ja nicht verboten.

Kann man mit einem solchen Projekt die Arbeitslosigkeit halbieren?

Schwer zu sagen. Das Start-Projekt ist ja viel kleiner. Wir haben in vier Jahren 8.500 Arbeitslose unter Vertrag gehabt. Auf die Arbeitslosenzahl hatte das also keinen großen Einfluss. Zeitarbeit reagiert sehr stark auf die Konjunktur: Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, gehen auch die Zeitarbeitsfimen Pleite. Zeitarbeit schafft keine neuen Jobs, sie kann nur einen besseren Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage herstellen.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH

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