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Mit der Blechcap zur Fußball-WM

Der Berliner Unternehmer Eberhard Strauch empfiehlt sich schon heute als Abnehmer für die Großbrauereien, wenn das Dosenpfand kommt. Aus acht Bierdosen macht er eine Schirmmütze. Von der Seriosität dieser Geschäftsidee ist er überzeugt

von JANA SITTNICK

Eberhard Strauch hat ein Herz für die Umwelt. Und er tut auch was dafür. Vor zwei Jahren musste er beim Waldspaziergang mit der Gattin zusehen, wie jemand seine leer getrunkene Bierdose ins Unterholz warf. Strauch stellte den Frevler zur Rede, schlug ihm vor, das Leergut zum nächsten Abfalleimer zu tragen. Der Ertappte aber konterte, Strauch könne sich die Dose ja „auf’n Kopp stellen“. Man hätte streiten können. Doch Strauch durchfuhr die Inspiration. „Plötzlich kam mir die Idee, Mützen aus Bierdosen herzustellen.“

Eberhard Strauch ist von der Seriösität seiner Geschäftsidee überzeugt. „Unser erster Auftritt auf der Biermeile im August war gut.“ Geguckt hätten die Leute, gekauft nicht viel. Aber erst einmal ginge es ja um das „Einführen“ des Artikels. Auf Genussmittelmessen wie der Drinktec in München oder der Anuga in Köln zeigte Strauch seine „Tinny Caps“ mit Erfolg. „Ich bin mit einem durchsichtigen Plastikkoffer nur so herumgelaufen, und schon hat man mich auf die Caps angesprochen.“

Agenten von großen Brauereien und Brauereimaschinenherstellern fanden die Mützen schick, wollten kooperieren. In der Bierhalle der „Grünen Woche“ gingen die Basecaps mit den Bierlogos gut weg, vor allem Touristen wollten sie sich auf den puterroten Schädel setzen. „Die verlangten ihre Heimatmarke“, erinnert sich Eberhard Strauch, „Warsteiner, Radeberger, Köstritzer, die Sorten gingen besonders gut.“

Mittlerweile stellt der 52-Jährige in seiner Druckerei in Tiergarten Mützen für Guinness, Krombacher und Tuborg her. Monsteraufträge in Hunderttausender-Höhe, von denen der Geschäftsmann träumt, sind das feilich noch nicht. „Gerade hat Guinness wieder siebzig Büchsen geschickt“, sagt er und zeigt auf eine Palette in seinem Büro, die mit leeren Schwarzbierdosen gefüllt ist. Daneben liegen Büchsen von „Arany Ászok“, einer ungarischen Marke, die zu Tuborg gehört, und „Krušovice“, tschechisches Schwarzbier.

Strauch will aber nicht nur Biertrinker erfreuen, er bietet auch Coca-Cola und hat Kontakt zu Energy-Drink-Firmen aufgenommen: „F 1“, „Red Reno“, und „XTC“ – Marken, die keiner kennt, aber bald, so Strauch, „auf den Markt drängen“. Und „Red Bull“, die bekannteste Marke? „Die machen nur ihre eigene Werbung und lassen sich auf keine Experimente ein“, sagt Eberhard Strauch.

Er versteht seine Mützen als kostenlose Reklame, also als gute Sache für die Getränkehersteller. Nur hätten die Verantwortlichen in den großen Brauereien das noch nicht bemerkt. „Die tun sich etwas schwer, da muss man noch viel Überzeugungsarbeit leisten.“

Die Weißblechkopfbedeckungen werden zum großen Teil per Hand hergestellt. Für eine Basecap-Mütze braucht Strauch acht Halbliter-Dosen, die er horizontal aufschneidet. Sieben Teile sind für die Mütze, das achte für den Schirm. Dann werden die Teile von innen mit Filz verklebt und in ihre Außenkanten Löcher gestanzt. Für das Zusammennähen schickt Unternehmer Strauch die Einzelteile nach Litauen, weil die Arbeit dort billiger ist. „Das machen arbeitslose Dorffrauen in Heimarbeit, die sind begeistert, dass sie was zum Arbeiten haben.“ Eberhard Strauch ist ein wenig stolz darauf, den eigenen Vorteil mit ganz persönlicher „Entwicklungshilfe“ zu verbinden.

In seiner Druckerei auf einem Gewerbehof in der Lützowstraße beschäftigt der gelernte Programmierer nur noch wenige Angestellte. Hier werden Siebdrucke, Schilder, Plakate und Messebeschriftungen gefertigt. „Wenn Sie was auf BVG-Bussen lesen“, sagt der Chef, „dann ist das von uns.“ Die „Tinny Caps“ sind noch Nebenbeschäftigung, da müssen die Gattin und die Schwestern ran, wenn es darum geht, die Dosen zuzuschneiden.

Eberhard Strauch kümmert sich um die Organisation. Er will sich bis zum Sommer auf dem Mützenmarkt etabliert und die Brauereien als Großkunden überzeugt haben. Parallel dazu plant er, seine Mützen an Tankstellen, auf Straßenfesten, in Souvenirshops und in Trendläden anzubieten. „Zwanzig bis dreißig verschiedene Sorten, aus denen wir Caps machen, kann ich mir vorstellen“, sagt er, „und bestimmte Regionen punktuell zu versorgen.“ So wie die Brauerei Krombacher in der Nähe von Köln, die schon zum dritten Mal bei ihm bestellt habe.

Auf seine Mützen bekäme er durchweg positive Reaktionen, auslachen, nein, das habe er noch nicht erlebt. „Die Chefin des Bundespresseamtes hat auf der Grünen Woche sogar drei Caps gekauft.“ Na bitte.

Und da sei ja noch der Recycling-Gedanke, die gute Sache. Als eine „gelungene Weiterverwertung von Reststoffen“ sieht Eberhard Strauch seine Mützensache und sich selbst an vorderster Front der Umweltaktivisten. Stolz zeigt er ein Papier der „Deutschen Umwelthilfe“, die die Mützen im Rahmen einer Aktion zur geplanten Einführung des Dosenpfands würdigt. „Da gab es eine Dosenmode-Show, und wir waren dabei, mit unseren Bikinis.“ Auf den Farbfotos an der Bürowand sieht man hübsche Mädchen, die die Badezweiteiler aus Filz und Blech tragen, die eine in schwarz mit „Miller“-Bier, die andere in himmelblau mit „Paulaner Hefeweizen“. Dass diese Live-Performance der Kracher auf jeder Biermeile der Welt ist, leuchtet ein. Nur eines sei bei der Blechbikini-Fabrikation zu beachten: „Es geht nur bei kleiner Körbchengröße, sonst hält das Ganze nicht.“

Eberhard Strauch scheint es an merkwürdigen Ideen nicht zu mangeln. In den Siebzigerjahren produzierte er Stadtteilaufkleber, die man an Tankstellen kaufen konnte. Darauf stand dann „Rixdorf grüßt den Rest der Welt“. Zum Spaß aufgelegte Lokalpatrioten gab es im eingeschlossenen Westberlin wohl zur Genüge. Strauch meint, dass jedes vierte Auto mit einem seiner Aufkleber herumgefahren sei. Heute druckt Strauch für Gesamtberlin, man kann bei ihm aber auch noch „Wartenberg grüßt den Rest der Welt“ bestellen.

Ärger gab es, als der Drucker die Politinitiative eines Berliner Lehrers unterstützte, der sich gegen die Abkürzung „BRD“ wehrte, weil er meinte, dies wäre von der DDR oktroyiert. Strauch druckte Aufkleber, auf denen „BRD nein – Bundesrepublik Deutschland – ja“ zu lesen war, und durfte dafür zehn Jahre nicht mehr in den Arbeiter-und-Bauern-Staat einreisen.

Heute hofft Eberhard Strauch, dass er seinen Großauftrag von McDonald’s bekommt und zur Fußball-WM im Juni seine neuen „Tinny Caps“ präsentieren kann. Und die sehen dann nicht wie eine Bierdose aus, sondern wie ein Fußball.

Eberhard Strauch, rc marketing, Lützowstraße 102, Tiergarten, Tel. 25 79-79 79, nimmt fast jede leere Dose entgegen

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