: Klare Rückendeckung für Scharon
Verzichtete Bush bislang darauf, die Ablösung Arafats zu fordern, sprach er sich jetzt erstmals für einen Machtwechsel in der Palästinenser-Führung aus
aus Washington MICHAEL STRECK
Mit Arafat ist kein Staat zu machen. Dies ist die Quintessenz der mit Spannung erwarteten und lange verschobenen Rede von George W. Bush zur Nahostkrise. Der US-Präsident schwieg über eine mögliche Nahostkonferenz im Spätsommer und kündigte auch nicht wie erwartet eine neue Vermittlungsmission von Außenminister Powell an.
Verzichtete Bush im April noch darauf, eine Ablösung von Palästinenserchef Arafat zu fordern, sprach er sich nun erstmals für einen Macht- und Generationswechsel in der gegenwärtigen Palästinenserführung aus, ohne jedoch Arafat beim Namen zu nennen: „Der Frieden erfordert eine neue und andere palästinensische Führung.“ Nach Ansicht von Bush unterstütze die palästinensische Autonomiebehörde Terror, anstatt ihn zu bekämpfen, eine Haltung, in der er sich durch die jüngsten Selbstmordanschläge bestätigt sehen durfte. Die USA würden so lange die Bildung eines Übergangsstaates Palästina verweigern, bis die dortige politische Elite energisch gegen Terrorismus vorgehe.
Für Bush liegt der Ball damit bei den Palästinensern. Sie müssten eine neue Führung wählen und Reformen einleiten. Würden diese ernsthaft umgesetzt, seien sie der Schlüssel zu einem Interimsstaat und Verhandlungen über die endgültigen Grenzen und den Status von Jerusalem. „Ein palästinensischer Staat wird niemals mittels Terror geschaffen, sondern nur auf dem Weg durch Reformen“, sagte Bush. Klar skizzierte der Präsident die notwendigen Veränderungen: eine neue Verfassung, garantierte Gewaltenteilung und ein verlässliches Justizwesen. Da die bisherigen Reformschritte lediglich kosmetischer Natur gewesen seien, werde die USA erst nach sichtbaren Veränderungen einen Übergangsstaat Palästina unterstützen. Hierbei nannte Bush erstmals einen Zeitrahmen von drei Jahren.
Im Ton mild, aber in der Sache deutlich wandte sich Bush an Israels Adresse und thematisierte den scheinbar unlösbaren Konflikt um die israelische Siedlungspolitik. Eine permanente Besetzung des Westjordanlandes gefährde die israelische Identität und Demokratie, so Bush. Sobald es die Sicherheitsbedingungen zulassen, müsse sich Israel hinter die Grenzen vom September 2000, als die zweite Intifada begann, zurückziehen. Auch forderte er Israel auf, den Siedlungsbau in den besetzten Territorien zu stoppen und die UN-Resolutionen einzuhalten. Doch auch für diesen Schritt seien das Ende der Gewalt und ein erfolgreicher Verhandlungsprozess mit den Palästinensern Voraussetzung.
Bushs Rede signalisiert eine klare Rückendeckung für den israelischen Premier Ariel Scharon. Bush besänftigt damit auch zu Hause parteiinterne Kritiker, die der Meinung waren, er würde nicht hart genug mit Arafat ins Gericht gehen. Aber auch die arabische Seite scheint überraschend zufrieden, wie erste Reaktionen vor allem aus Saudi-Arabien belegen, wo man genau auf die Wortwahl des Präsidenten geachtet haben dürfte. Das Königreich hatte Anfang des Jahres einen von der Arabischen Liga angenommenen Friedensplan vorgelegt, in dem Israel Frieden in Aussicht gestellt wird, sollten die jüdischen Siedlungen in den besetzten Autonomiegebieten geräumt werden. Vielleicht ist Bush ein kleiner Kunstgriff gelungen: Tacheles zu reden, ohne die Palästinenser zu sehr vor den Kopf zu stoßen, und die Rede so zu formulieren, dass beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Der vorschnelle Eindruck trügt, dass Bush keinen Zweifel daran ließ, auf wessen Seite er steht. Seine Sympathien gehören nicht nur Israel, sondern auch dem palästinensischen Volk, nicht jedoch seiner Führung. Im Falle ernsthafter Anstrengungen, den Terror zu beenden und Reformen anzupacken, hat Bush den Palästinensern umfangreiche Hilfen in Aussicht gestellt, sei es bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung oder der Vorbereitung und Überwachung freier Wahlen. Auch bei wirtschaftlichen Projekten stünden die USA mit EU, Weltbank und Währungsfonds in den Startlöchern.
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