: Es gibt nur einen Hans Eichel
Bürgerschaft führt fruchtlose bundespolitische Stellvertreter-Debatte zur Finanzpolitik. Streit um kurzfristig geänderte Tagesordnung. Parlament als „Abnickerverein“
Zu Beginn des gestrigen Bürgerschaftsnachmittags handelte sich der GAL-Abgeordnete Christian Maaß einen Ordnungsruf ein. Er hatte im Zusammenhang mit dem Parlament das aus der Weimarer Zeit belastete Wort „Quasselbude“ benutzt. Anschließend gaben sich die ParlamentarierInnen alle Mühe, Maaß Recht zu geben. Wichtigtuerische Fensterreden zu bundespolitischen Themen – die Bürgerschaft war sich mal einig gewesen, dass sie so etwas nicht mehr dulden wollte. Aber kaum steht eine Bundestagswahl vor der Tür, werden solche Vorsätze schleunigst über den Haufen geworfen.
Die FDP hatte das Thema rot-grüne Steuerreform zur Debatte angemeldet, und ihrer Abgeordneten Rose Pauly gab das willkommenen Anlass, mindestens 20 Mal den Namen Hans Eichel zu erwähnen, bis man extrem versucht war, ihr zuzurufen: Das interessiert den Mann drüben in Berlin überhaupt nicht, ob und was im Hamburger Parlament über ihn geredet wird.
Doch diese Erkenntnis erschloss sich auch SPD und GAL nicht. Deren Wirtschafts- und HaushaltsexpertInnen Ingo Egloff und Anja Hajduk warfen sich so vehement für ihre BundesgenossInnen ins Zeug, als stünde deren Ehre auf dem Spiel. Schill-Fraktionschef Norbert Frühauf glaubte dann noch zu wissen, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder früher mal Marxist war. Wer nicht direkt zuhören musste, schaute sich derweil im Nebenraum die Schlussminuten des WM-Spiels Türkei - Brasilien an.
Zuvor hatten sich Senatsfraktionen und Opposition schon über die Tagesordnung in die Haare bekommen. Schwarz-Schill hatte kurzfristig zwei Punkte zur JuristInnenausbildung und zum Hochschulgesetz auf die Tagesordnung setzen lassen, ohne Fraktionen und Ausschüssen Gelegenheit zu geben, darüber zu diskutieren. „Dieses Verfahren ist ungeheuerlich“, schimpfte SPD-Fraktionsvorsitzender Uwe Grund, und für Maaß reiht sich dies „in eine ganze Kette von Missachtungen des Parlamentes ein, das zum Abnickerverein degradiert wird“. Die Koalitionsmehrheit nickte die neue Tagesordnung dennoch unbeeindruckt ab. PETER AHRENS
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