: berliner szenen Das große S-Bahn-Rätsel
Maulwurf, hilf!
Am neuen Lehrter Bahnhof werden momentan gerade ein paar S-Bahn-Gleise „verschwenkt“. Das hört sich harmlos an, hat aber einige Folgen. Eine davon ist, dass auf den Bahnhöfen kleine Heftchen ausliegen. Vorne drauf ist der kleine, braune Comic-Maulwurf mit dem Bauhelm, der auch sonst immer seinen Kopf hinhalten muss für Bahn und BVG. Jetzt wirbt er mit einem Megafon, auf dem „Info“ steht. Doch die Hinweise zum S-Bahn-Umbau sind auf immerhin 88 Seiten gut versteckt. Hinter noch mehr Informationen, die keiner braucht, getarnt mit Ersatzfahrzeiten und den Ausnahmen von den Ersatzfahrzeiten, sowie der Versicherung: „Solange wir bauen, bleibt der Fahrplan leider etwas komplizierter.“ Hier muss ein Wort wie „Euphemismus“ noch einmal neu definiert werden.
Aber auch dies ist nur eine weitere falsche Fährte in einem ungleich größeren Plan: Denn die Heftchen sollen mitnichten dem willigen S- und Regional-Bahn-Reisenden erklären, wie er weiträumig umfahren kann, was der putzige Maulwurf unter seinem lustigen Helm ausgegrübelt hat. Nein, tatsächlich geht es darum, dem Wartenden die Dauer des Aufenthalts auf verwaisten Bahnhöfen zu vertreiben. Wer blättert, bleibt ruhig, wer grübelt, meckert nicht, und im Vergleich zum Planspiel der S-Bahn-Verantwortlichen sind die legendären Kreuzworträtsel aus Zeit und SZ-Magazin ein Kinderspiel. Die aktuelle Denksportaufgabe namens „Streckensperrung Berliner Innenstadt“ zu bewältigen, dauert locker bis zum 4. Juli. Dann rollen die Züge ohnehin wieder wie gewohnt. Die bis dahin erknobelten Lösungen kann man einschicken. Ob es ein paar wertvolle Preise zu gewinnen gibt, geht ebenfalls nicht aus den Ausführungen hervor.
THOMAS WINKLER
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