Afrika gegen Nepad und G 8

Auf einem G-8-Gegengipfel in Mali kritisieren Bauern die Entwicklungspläne für Afrika. Ihr Problem ist ganz konkret: US-Subventionen ruinieren ihre Exporte

BERLIN taz ■ Hätte es im 13. Jahrhundert G-8-Gipfel gegeben, wäre Mali dabei gewesen. Mali war damals eines der großen Weltreiche, Zentrum des transkontinentalen Goldhandels und der islamischen Wissenschaft. Im Ort Siby soll das mächtige Königreich, dessen Ruhm bis nach Paris strahlte, sich auf einem Gipfeltreffen erstmals eine Verfassung gegeben haben.

Heute findet in Siby wieder ein Gipfel statt, aber nicht die Mächtigen der Welt treffen sich, sondern die Machtlosen. Mali ist eines der ärmsten Länder der Welt geworden, und das heiße, staubige 3.000-Einwohner-Dorf ist Schauplatz des afrikanischen Gegengipfels zum G-8-Treffen in Kanada. Der Grund, so die Organisatoren von der malischen Sektion des internationalen Schuldenerlassnetzwerkes „Jubilee 2000“: Es gebe in Siby keine Spur von Entwicklung.

Eigentlich gibt es in der Region unzählige Entwicklungshilfsprojekte, unter anderem aus Frankreich, Deutschland, den USA. Siby wurde vor zwei Jahren sogar für ein Pilotprojekt ausgewählt, ländliche Basisgesundheitsdienste über Internet zu organisieren. Das scheiterte erst, als die Projektleiter bei der Präsentation ihrer Idee vergebens nach einer Steckdose suchten. Wie so oft in Afrika hat der Eifer fremder Helfer kaum Spuren hinterlassen.

In dem Dorf ohne Strom regnete es, als Dorfchef Toumani Camara den Gipfel mit Gebeten eröffnete und der Generalsekretär von Jubilee-Mali, Donantié Dao, sagte: „Wir wollen das Wort nicht den Reichen überlassen.“ Und während in Kanada vier afrikanische Staatschefs versuchen, ihre G-8-Kollegen für ihren Entwicklungsplan „Nepad“ (Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung) zu interessieren, wird in Mali eine „Ablehnungsfront“ gegen Nepad ausgerufen.

Nepad beinhaltet eine Selbstverpflichtung Afrikas auf gute Regierungsführung, was den Rest der Welt dazu verleiten soll, genug Ressourcen auf den Kontinent fließen zu lassen, um sein Wirtschaftswachstum auf 7 Prozent im Jahr zu verdoppeln. „Wir erkennen uns darin nicht wieder“, erklärten die 200 Gegengipfelteilnehmer in Siby.

Die Selbstverpflichtungen der Politiker auf Demokratie und Frieden, so eine Teilnehmerin aus der Elfenbeinküste, seien nur „ein Glaubensbekenntnis“, auf das keine Taten folgen würden. Der Ruf nach mehr ausländischen Kapital für Afrika werde ja wohl nur erhört werden, wenn das Kapital davon profitiere und nicht Afrika, hieß es. Die internationalen Kapitalströme nach Afrika landeten zu 80 Prozent wieder im Ausland, während Afrikas Regierungen 40 Prozent ihrer Staatshaushalte für Schuldendienst ausgeben müssten. Das Fazit: „Wir brauchen ein neues Nepad unter Einbeziehung der afrikanischen Zivilgesellschaft.“

Angereist sind die Teilnehmer aus Mali, Niger, Burkina Faso, der Elfenbeinküste und anderen Ländern der Region. Sie haben eines gemeinsam: Subventionierte Konkurrenz der G-8-Staaten bedroht ihre Exporte auf dem Weltmarkt. Hauptstreitpunkt ist Baumwolle, wovon in Westafrika zehn Millionen Menschen leben. Die USA subventionieren ihre Baumwollexporte massiv und fordern zugleich zusammen mit der EU Privatisierungen – also Aufkaufmöglichkeiten – in Afrikas Baumwollsektor. „Unser Leben ist sehr schwer“, sagte dazu Sibys Dorfchef. „Wir sollen Baumwolle anbauen, aber wir verdienen nichts, weil das Ausland beim Verkauf die Bedingungen diktiert.“

Am Mittwoch beschlossen die Regierungen der Region, wegen der US-Subventionen Klage vor der WTO einzureichen. Das dürfte für Westafrika konkretere Folgen haben als die Beschlüsse der G 8. DOMINIC JOHNSON