: Eine Nation ohne Gott? Gott bewahre!
„Ich schwöre der Fahne der Vereinigten Staaten die Treue, und der Republik, für die sie steht, einer Nation vor Gott, unteilbar, mit Freiheit und Gerechtigkeit für alle.“ Der Schwur steht seit 110 Jahren für amerikanischen Patriotismus, bei praktisch allen nur möglichen Anlässen an Fest- und Alltag. Im Wesentlichen steht er unverändert, bis auf die Worte „vor Gott“. Die wurden 1954 eingefügt, um sich im Kalten Krieg vom atheistischen Erzfeind zu unterscheiden.
Nun hat der mutige Richter Alfred Goodwin ein Urteil begründet, dies widerspreche der Verfassung. Die verbiete der Regierung nicht nur, eine Religion auf Kosten einer anderen zu unterstützen, sondern auch, Religionen insgesamt auf Kosten des Atheismus.
Gut, dass es keine Lynchjustiz mehr gibt. Richter Goodwin liefe Gefahr, vom Volkszorn geteert und gefedert zu werden. Schließlich ist Krieg. Und da spuckt man nicht in die patriotische Suppe.
Im Ernst: Das Verhältnis von Religion und Staat erzwingt im Einwandererland USA einen zuweilen kuriosen Dauerspagat. Die politische Korrektheit verbietet offizielle religiöse Feiertage. Kirchenglocken dürfen nicht läuten, sonst müssten auch Moscheen auf sich aufmerksam machen dürfen. Auch hängen keine Kreuze in Schulen. Dafür haben Dollarnoten den Aufdruck „In God we trust“, beendet der Präsident fast jede Ansprache mit „God bless America“, beten Kongressabgeordnete zu Sitzungsbeginn, erhalten christlich karitative Gruppen Geld aus der Staatskasse. Und Einwanderer müssen, wenn sie US-Staatsbürger werden, einen ähnlichen Schwur ableisten wie die allermeisten Kids allmorgendlich in der Schule. Dabei gibt es eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, wonach Studenten nicht religiös vereidigt werden dürfen. Mitglieder des Hohen Gerichts sind jedoch auch der Meinung, dass ein Satz wie „In God we trust“ seine religiöse Bedeutung verloren hat und einen historischen Wert darstellt, der geschützt ist.
Das Urteil Richter Goodwins und seiner Kollegen wird, meinen die meisten Rechtsexperten, keinen Bestand vor dem Obersten Gerichtshof haben. M. STRECK
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