: „Kein Land ist sicher für Reisende“
Interview mit dem Wirtschaftsjournalisten Dhrubojyoti Nandi über die Zuspitzung des Konflikts zwischen Indien und Pakistan. Nandi lebt in Kalkutta
taz: Die Situation zwischen Indien und Pakistan spitzt sich in letzter Zeit immer mehr zu. Dhrubojyoti Nandi: Ja, die Soldaten beider Länder stehen sich seit ungefähr sechs Monaten an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir gegenüber. In dieser Zeit hat Pakistan immer wieder versichert, die Infiltration der Grenze zu unterbinden, während Indien sagt, den Lippenbekenntnissen des Präsidenten Muscharraf würden keine wirklichen Taten folgen. Die neuerlichen Anschläge der Separatisten in dem Bundesstaat Jammu und Kaschmir hat die Stimmung in Indien aufgeheizt, und tatsächlich gibt es eine Tendenz unter der Mehrheit der Inder, dass man Pakistan „einen Lektion erteilen“ sollte.
Was wäre Ihr Ratschlag an diejenigen, die nach Indien reisen wollen? Ist Indien ein sicheres Reiseziel?
Kein Land ist sicher für Reisende, wenn dort Krieg herrscht. Andererseits aber gab es ständig Spannungen zwischen Indien und Pakistan. Was die Lage diesmal prekärer macht, ist die nukleare Perspektive. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Indien ein sehr großes Land ist. In den östlichen und nordöstlichen Regionen ist man sicher, dort ist man weit weg von der indisch-pakistanischen Grenze und es gibt auch keine wichtigen strategischen Kriegsziele.
Glauben Sie, dass ein Krieg unumgänglich ist?
Die internationale Gemeinschaft wird eine entscheidende Rolle bei der Beantwortung dieser Frage spielen. Vor drei Jahren hat Indien sich sehr zurückgehalten, als es darum ging, die aus Pakistan eingeschleusten Separatisten aus der Kargil-Region zurückzudrängen. Das indische Militär hatte strikte Anweisungen, die Waffenstillstandslinie nicht zu überqueren. Diesmal denkt Indien sehr ernsthaft darüber nach, einen limitierenden Angriff jenseits der Grenze zu unternehmen, um die Ausbildungslager der „Dschihadis“ zu zerstören. Pakistan droht in diesem Fall, Atomwaffen einzusetzen. Das wiederum nennt Indien „Nuklearterrorismus“.
Was wären die ökonomischen Folgen eines Krieges für Indien?
Indien kann sich aus ökonomischer Sicht einen Krieg wohl kaum leisten. Ausländische Investitionen bleiben jetzt schon aus, und unsere Haushaltslage hat sich zwar in den letzten zehn, zwölf Jahren erheblich gebessert, die Kosten eines Krieges aber wären fatal für die Wirtschaft des Landes. Andererseits wäre ein Krieg wohl genau das Richtige für das politische Image der Regierungskoalition. Solche politischen Überlegungen haben in Indien schon immer eine größere Rolle gespielt als ökonomische Vernunft.
INTERVIEW: FRANK SCHLICHTMANN
Reisehinweise und Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes: www.auswaertiges-amt.de. Für Indien gibt es bislang keine Reisewarnung.
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