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Häftlinge wollen einkaufen

Kaufboykott wegen Teuro? Nicht im Abschiebeknast. Dort besorgen Ehrenamtliche das Nötigste für die Häftlinge, weil der „Einkäufer“ nicht mehr kommt

Kaufboykott aus Protest gegen die Euro-Teuerung? Nicht mit den Gefangenen im Bremer Abschiebegewahrsam. Das hat Ghislaine Valter, die sich bei der Initiative Grenzenlos ehrenamtlich für die Gefangenen einsetzt, gestern entsetzt festgestellt – und gehandelt: „Ich hole jetzt Geld von der Bank und besorge das Nötigste: Obst, Tabak, Telefonkarten, Kaffee und Tee.“

Mal wieder musste sie Kritik an den Missständen im Abschiebeknast üben. „Es gibt wieder niemanden, der für Häftlinge einkauft.“

Damit sei ein alter Schwachpunkt in der Gefangenenbetreuung erneut akut geworden. Valter: „Gefangene, die in Bremen keine Verwandten oder Freunde haben, bleiben unversorgt.“ Das aber dürfe nicht geschehen, betont sie – schließlich hätten Abschiebehäftlinge keine Straftat begangen. Sie seien lediglich ausreisepflichtig und bis zum Abschiebedatum in Gewahrsam.

Der seit Wochen ersatzlose Ausfall des eigentlich bestellten „Einkäufers“ zeige, dass die Betreuung der Gefangenen nach wie vor mangelhaft sei.

Die Bremer Polizei bestätigte, dass der seit Jahren auf Honorarbasis tätige „Einkäufer“ seinen Dienst nicht mehr versehe. „Derzeit ist unsere Verwaltung auf der Suche nach einem geeigneten Ersatz.“ So lange würden die diensthabenden Polizisten selbst das Notwendigste besorgen.

Er selbst habe sich den Häftlingen während eines Besuchs angeboten, schildert ein Beamter seine Sicht der Dinge. Aber: Es sei nur nach Getränken verlangt worden.

Valter hält von dieser Darstellung wenig. „Das würde ja heißen, man bräuchte tatsächlich niemanden, um den Häftlingen das Wichtigste für ihren persönlichen Bedarf zu besorgen“, sagt sie. Dies ließe sich nicht mit der Erfahrung der Vergangenheit in Einklang bringen. „Zweimal die Woche kam der Einkäufer voll beladen in den Abschiebeknast. Insbesondere sei Ergänzung zur viel bemängelten Knastkost gefragt. ede

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