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Gift-Industrie ohne Haftung

Die US-Regierung streicht Dutzende von Projekten zur Sanierung von Altlasten. „Superfund“ wird nicht aufgestockt. Statt der Industrie zahlt nun der Steuerzahler

WASHINGTON taz ■ Die amerikanische Regierung dreht einem der ambitioniertesten Umweltprogramme in der US-Geschichte den Geldhahn ab. Im so genannten „Superfund Clean Up Program“, das in besonders mit Giftmüll verseuchten Regionen die ökologische Altlastensanierung finanziert, werden über 30 Projekte in 18 Bundesstaaten auf Eis gelegt, wie jetzt bekannt wurde. Dazu gehören stillgelegte Chemiefabriken und Bergwerke, deren toxische Abfälle und Abwässer eine besonders hohe Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in angrenzenden Kommunen darstellen.

Das im Jahre 1980 vom Kongress verabschiedete „Superfund-Program“ war ursprünglich eine Erfolgsgeschichte bei der Durchsetzung des Verursacherprinzips. Unternehmen werden für den von ihnen verursachten ökologischen Schaden direkt verantwortlich gemacht und zur Kasse gebeten. Das bekannteste jüngste Beispiel hierfür ist der Konzern General Electric. 35 Jahre lang hatte GE giftige Chemikalien in den Hudson-Fluss im Bundesstaat New York geleitet. Vergangenen Februar bekam der Konzern dafür von der amerikanischen Umweltbehörde (EPA) die Rechnung präsentiert: 480 Millionen Dollar muss General Electric zahlen, um kontaminierte Schlämme aus einem 60 Kilometer langen Flussabschnitt baggern zu lassen – der bislang größte „Clean Up“ in der Geschichte der USA.

Für die Fälle, wo der Verschmutzer nicht mehr identifiziert werden kann oder eine Sanierung nicht mehr zahlen kann, wurde ein Fonds aufgelegt, der sich aus einer speziellen Abgabe von Chemiefirmen und Energieversorgern speiste. Eine Milliarde Dollar flossen anfangs jährlich in diesen Umweltfonds. Doch die Einzahlungsverpflichtung für die Indutrieunternehmen endete 1995. Und der republikanisch dominierte Kongress lehnte es damals ab, die Gebühren weiter zu erheben.

Auch Präsident George Bush hat zur Freude der Industrie klargestellt, dass es in seiner Amtszeit keine Neuauflage der Abgabe geben wird. So sind im einst milliardenschweren Fonds nur noch 28 Millionen Dollar übrig geblieben. Doch allein die geplanten Projekte kosten jährlich 1,2 Milliarden Dollar. Insgesamt hat die EPA rund 1.500 stark kontaminierte Orte identifiziert, deren Sanierung Priorität genießt.

Die Bush-Regierung hat nun die Wahl: entweder werden die Ausgaben des Umweltfonds reduziert, indem die Zahl der Projekte drastisch gekürzt wird. Oder zukünftige Sanierungsvorhaben werden aus dem allgemeinen Haushalt, sprich durch den Steuerzahler, geleistet. Damit werde jedoch das dem „Superfund“ zugrunde liegende Verursacherprinzip abgeschafft, monieren Kritiker.

Eines der berühmteren Projekte, das weniger oder gar kein Geld mehr erhalten würde, ist das verseuchte Gelände der Chemical Insecticide Corporation nahe der Stadt Edison im Bundesstaat New Jersey. In der Chemiefabrik wurde das im Vietnamkrieg eingesetzte Herbizid Agent Orange hergestellt. Jahrelang hatte die Firma toxische Abfälle in Boden und Grundwasser eingeleitet, konnte jedoch nach ihrem Bankrott 1972 die Sanierung nicht mehr bezahlen. Ein Jahrzehnt hat die EPA mit der Stadt zusammengearbeitet, um den Boden und das Grundwasser zu retten. Hunderttausende Kubikmeter kontaminierter Erde sollten ab November abgetragen und zu Sonderdeponien transportiert werden.

Doch nun ist das Vorhaben gestoppt. Umweltgruppen meinen, dass die EPA zur Sanierung rechtlich verpflichtet ist. Sollte das Projekt also jemals beendet werden, muss der US-Kongress im ohnehin defizitären Haushalt Geld auftreiben. Die Bereitschaft dazu ist gering. Diese Haltung könnte sich jedoch angesichts der bevorstehenden Kongresswahlen im Herbst rasch ändern. So mancher Senator könnte sich gezwungen sehen, seinen Wählern einen sauberen Vorort zu versprechen. MICHAEL STRECK

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