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Notzugriff versäumt

Nach dem Erfurter Amoklauf melden sich Polizeibeamte, Ärzte und Angehörige mit Kritik an der Einsatzleitung

ERFURT ap ■ Mehr als zwei Monate nach dem Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium haben Angehörige der Opfer, Ärzte und Polizeibeamte schwere Vorwürfe gegen die Einsatzleitung erhoben. Die Polizei habe nicht schnell genug zugegriffen und die Rettungsteams seien nicht rechtzeitig zu den Verletzten vorgelassen worden, berichtet der Stern.

Dagegen hatte die Thüringer Landesregierung den Einsatz in ihrem „vorläufigen Abschlussbericht“ als fehlerlos hingestellt. Die pathologischen Gutachten hätten bewiesen, „dass alle Opfer auch bei einer sofortigen medizinischen Notversorgung keine Überlebenschance gehabt hätten“, hieß es in dem Bericht. Am 26. April hatte der 19-jährige Robert Steinhäuser im Erfurter Gutenberg-Gymnasium innerhalb von zehn Minuten 16 Menschen und sich selbst erschossen.

Das Magazin zitierte einen nicht näher genannten Beamten eines Sondereinsatzkommandos: „Der Einsatzleiter hat definitiv gegen die Lage entschieden. […] Wenn ich weiß, dass es verletzte Kinder gibt, muss doch die Eigensicherung zurücktreten.“ Die schwer ausgerüsteten SEK-Beamten seien darauf trainiert, notfalls auch als „Kugelfänger“ herzuhalten. „Der ganze Einsatz war die größte Scheiße“, sagte einer der SEK-Beamten dem Stern.

Laut dem Bericht hätten Schüler den schwer verletzten Mathematik- und Physiklehrer Peter Wolff noch eine Stunde lang atmen gehört, nachdem er von dem Amokläufer mit drei Schüssen niedergestreckt worden sei. Auch der Biologie- und Chemielehrer Hans Lippe habe noch gelebt, als ihn eineinhalb Stunden nach der Tat die Retter aufgefunden hätten. „Sein Herz schlug noch ganz normal“, sagte der Rettungsassistent Udo Fulge.

Auch zwei Schüler der Klasse 8c hätten die Schüsse zunächst überlebt, worauf Mitschüler ihre Wunden notdürftig mit Kleidungsstücken versorgt hätten. Als um 13.30 Uhr endlich ein Arzt bei ihnen gewesen sei, habe er nur noch ihren Tod feststellen können. Da seien sie noch keine halbe Stunde tot gewesen.

Der Einsatzleiter und Erfurter Polizeidirektor Rainer Grube hatte sich anstatt für einen schnellen „Notzugriff“ für ein langsames Vordringen des SEK entschieden. Zu diesem Zeitpunkt war die Polizei noch von einem möglichen zweiten Täter ausgegangen. Anstatt das Gebäude zu stürmen, wie jetzt von einigen Experten gefordert, hatte das SEK zweieinhalb Stunden gebraucht, um die Schule zu durchsuchen. Polizeidirektor Grube war gestern nicht zu erreichen.

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