off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

1971 wurde der Journalist Hunter S. Thompson beauftragt, vom legendären Mint-400-Motorradrennen in der Wüste von Las Vegas zu berichten. Doch Thompson arrangierte seine – später unter dem Schlagwort Gonzo-Journalismus berühmt gewordenen – assoziativen und radikal subjektiven Notizen zu einem Roman, der zu einem endgültigen Abgesang auf eine idealistische Epoche und den verloren gegangenen amerikanischen Traum werden sollte – schließlich war Richard Nixon gerade Präsident und der Vietnamkrieg befand sich auf seinem Höhepunkt. Im Mittelpunkt des Romans „Fear and Loathing in Las Vegas“ stehen der Journalist Raoul Duke und sein Anwalt Dr. Gonzo, die zwecks Berichterstattung zum erwähnten Motocross-Rennen reisen und dabei so viele Drogen konsumieren wie nur irgend möglich – das Rennen gerät dabei zur Nebensache. 1998 verfilmte Terry Gilliam das eigentlich für unverfilmbar gehaltene Buch mit Johnny Depp und Benicio Del Toro in den Hauptrollen. Ergebnis ist ein eng an der literarischen Vorlage orientierter Film ohne gängige Kinodramaturgie – eher schon entspricht das Werk, das sich mit einer Rekonstruktion der gesellschaftspolitischen Situation der frühen 70er-Jahre zwangsläufig schwer tut, einem zweistündigen psychedelischen Drogenrausch mit irrealen Farben und verzerrten Perspektiven, in dem selbst Teppichmuster ein Eigenleben führen und sich die Gäste an der Hotelbar in Echsen verwandeln. Neben den immer psychotischer agierenden Helden agieren in kleineren Rollen Gaststars wie Ellen Barkin, Tobey Maguire, Gary Busey, Cameron Diaz, Flea, Mark Harmon, Lyle Lovett, Harry Dean Stanton und Christina Ricci.

„Fear and Loathing in Las Vegas“ 8. 7. im Freiluftkino Hasenheide

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In den 70er- und 80er-Jahren befand sich der Zeichentrickfilm und mit ihm sein amerikanisches Synonym Disney in einer Krise. Die letzten Veteranen aus goldenen Tagen, Disneys „nine old men“, hatten mittlerweile die Rente eingereicht, die zeichnerischen Standards waren seit geraumer Zeit ständig gesunken, und neue Talente wie Don Bluth und Gary Goldman hatten die Firma verlassen, um in eigener Regie die „besseren Disney-Filme“ zu drehen. Erst mit „Arielle – Die Meerjungfrau“ (1989), einer locker an Hans Christian Andersen angelehnten Geschichte, endete die Durststrecke: Die erste Märchenverfilmung des Studios seit „Cinderella“ (1959) erwies sich als flotte, vergnügliche – und auch zeichnerisch wieder überzeugende – Angelegenheit. Mit dem rebellierenden Meerjungfrauenteenager Arielle, der sich gegen Papas Willen mit einem schmucken Menschenprinzen verbandelt, besaß der Film zudem eine Identifikationsfigur, die bei jungen Leuten gut ankam – eine Formel, die man auch in folgenden Produktionen nur allzu gern wiederverwendete. Überdies ließ „The Little Mermaid“ deutlich den Humor seiner Regisseure John Musker und Ron Clements durchscheinen: überaus verspielt und immer ein wenig (selbst-)ironisch.

„Arielle – Die Meerjungfrau“ 6. 7.-7. 7. im Filmmuseum Potsdam

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Mit Leidenschaft frönten die Charaktere in den Filmen des katholisch erzogenen Alfred Hitchcock dem Fetischismus: Da möchte Sean Connery in „Marnie“ unbedingt mit einer Diebin schlafen, im Gegenstück „Über den Dächern von Nizza“ lässt sich Grace Kelly von einem Dieb die Jungfräulichkeit rauben, Anthony Perkins in „Psycho“ und James Stewart in „Das Fenster zum Hof“ betätigen sich als Voyeure. Als Höhepunkt der Merkwürdigkeiten darf jedoch zweifellos „Vertigo“ gelten: die Geschichte des ehemaligen Polizeibeamten Scottie Ferguson (James Stewart), den es dazu drängt, mit einer von Kim Novak verkörperten vermeintlichen „Toten“ zu schlafen. Deren Einführung in den Film ist spektakulär: Zunächst verbindet eine halbkreisartige Kamerafahrt durch ein ganzes Restaurant den an der Bar sitzenden Ferguson mit Madeleine (Novak) an ihrem Tisch, sodann wird diese Beziehung durch eine Blickachse noch verstärkt. Als sie schließlich das Lokal verlässt, bleibt sie noch einmal neben Scottie stehen: Eine Großaufnahme zeigt Madeleine im Profil – buchstäblich setzt sie sich für Ferguson ins rechte Licht. Klar, dass der (und wohl auch der Zuschauer) ihr von diesem Moment an verfallen ist und deshalb die nun anhebende Charade um Mord und Versicherungsbetrug zunächst nicht durchschaut.

„Vertigo“ 4. 7.–10. 7. in der Brotfabrik

LARS PENNING