: Vorgezogene Neuwahlen in Argentinien
Präsident Eduardo Duhalde will sein Amt im März 2003 an einen Nachfolger übergeben. Carlos Menem kündigt sein politisches Comeback an
PORTO ALEGRE taz ■ Eduardo Duhalde spielt seinen letzten Trumpf aus. Argentiniens peronistischer Präsident überraschte die Nation am Dienstagabend, indem er in einer Fernsehansprache Neuwahlen für März 2003 ankündigte. Die für eine „nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung“ nötigen „großen Reformen“ könnten nur von einer gewählten Regierung umgesetzt werden, sagte Duhalde. Die Kandidaten der Parteien sollen demnach erstmals durch Vorwahlen im kommenden November ermittelt werden. Nach der Präsidentschaftswahl am 30. März 2003 soll die Amtsübergabe Ende Mai stattfinden.
Der Spielraum des Präsidenten war in den letzten Wochen immer enger geworden. Zum einen nimmt nach der mittlerweile vierjährigen Rezession die Verelendung der Bevölkerung immer drastischere Formen an. Über die Hälfte aller ArgentinierInnen ist unter die Armutsgrenze gerutscht. Immer öfter wird auf Demonstrationen der Rücktritt Duhaldes gefordert, besonders, seitdem letzte Woche zwei Arbeitslosenaktivisten von der Polizei ermordet wurden.
Zum anderen macht der IWF keine Anstalten, die im letzten Dezember eingefrorenen Milliardenkredite freizugeben. Vorher seien weitere Kürzungen der öffentlichen Ausgaben erforderlich, heißt es aus Washington. Doch die müssten vor allem die mächtigen Provinzgouverneure durchsetzen, unter denen sich die aussichtsreichsten Kandidaten für Duhaldes Nachfolge befinden.
Bisher hat sich der IWF lediglich dazu bereit erklärt, ein Darlehen über 900 Millionen Dollar zu verlängern, dessen Rückzahlung Mitte Juli fällig geworden wäre. Duhalde behauptet nun, die Übergabe an einen gewählten Nachfolger könne sechs Monate eher als geplant stattfinden, da man kurz vor einem Abkommen mit dem IWF stehe.
In Wirklichkeit ist es bestenfalls andersherum. Trotz heftiger Dementis am Dienstag hatten die US-Regierung und diverse IWF-Unterhändler zuletzt sehr wohl auf eine Vorverlegung der Wahlen gedrängt. Noch am Montag sagte IWF-Chef Horst Köhler, Argentiniens größtes Problem sei das „fehlende Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung“.
Die wiederum hat durch Duhaldes Schachzug ein wenig Luft bekommen: Fast alle Politiker begrüßten die Ankündigung. Der unabhängige Linke Luis Zamora hingegen forderte die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung als Vorstufe zu einer grundlegenden politischen Reform.
Morgenluft schnuppert auch Expräsident Carlos Menem, einer der Väter des Argentinien-Desasters. An seinem 72. Geburtstag kündigte er an, er werde die kommende Wahl gewinnen und das „Land aus der Asche emporheben“. Doch seine Chancen sind gering: Schon bei einer peronistischen Vorwahl dürfte er an Rivalen wie Carlos Reutemann scheitern, dem Ex-Formel-1-Rennfahrer und Gouverneur von Santa Fe. Zudem sieht die Verfassung eine vierjährige Zwangspause für ehemalige Präsidenten vor. Danach könnte Menem frühestens im Dezember 2003 wieder ans Ruder.
GERHARD DILGER
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