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Zuhören ohne Werbeunterbrechung

Protagonisten behalten Definitionsmacht über sich selbst: Dem Ensemble Postproduktion gelingt mit „Fürsprecher“ beim Theaterfestival „Die Wüste lebt!“ die unterhaltsame Umsetzung hoher theoretischer Ansprüche

„Das Beharren auf dem Aspekt der Kommunikation und auf der Präsenz der Macht und der Ausübung von Gewalt in Kommunikationsprozessen stellt vielleicht die einzige potente Strategie des Theaters dar, sich produktiv und gestaltend in gesellschaftliche Prozesse einzubringen.“ So schwer und tiefschürfend klingen die Grundlagen der Berliner Theatergruppe Postproduktion. Beim Theaterfestival „Die Wüste lebt!“ hat sie ihr drittes, von Jan-Philipp Possmann konzipiertes Projekt Fürsprecher gezeigt.

Elf kurze monologische Einheiten – vom im Dunkeln abgespielten Text über fremdsprachige Referate, Erfahrungsberichte und ein Gebärdensprach-Märchen bis zum Bewusstseins-Rap und einer Politikerrede – bilden die Folie für die Hinterfragung von Authentizität: Wer spricht? Ein Schauspieler? Oder ein „echter“ Betroffener?

Das minimale Bühnenbild lässt an Soaps, Kabarettbühnen oder Nachmittags-Talkshows denken. Doch auf der Theaterbühne können sich die Charaktere behaupten, weil sie ihre Definitionsmacht, die es ihnen erlaubt, Aussagen ÜBER SICH zu machen, verteidigen können, ohne von reißerischen Kameraperspektiven, dramatischer Musik oder bunten Werbeblöcken instrumentalisiert zu werden.

Die Fiktion einer authentischen Übersetzbarkeit wird jedoch einmal durchbrochen: Beim Gebärdensprach-Märchen, das – leider – gedolmetscht wurde. (Zum Vergleich: ein chinesischer Monolog wurde nicht übersetzt!) Damit wird auf die gesprochene Sprache abgelenkt und der deutschen Gebärdensprache ein Stück Authentizität, um die sie schon so lange ringt, geraubt.

Insgesamt gilt der Inszenierung der Dank, beim Publikum die Lust, den Geschichten ohne Unterbrechung zuzuhören, geweckt zu haben. Das heißt, die Personen finden – so die Formulierung von Postproduktion – „Möglichkeiten und Wege, sich als Mensch in öffentliche Diskurse einzubringen, ohne die eigene Autonomie zu verleugnen, sich der medialen Angebote zu bedienen, ohne von ihnen instrumentalisiert zu werden.“ Christian T. Schön

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