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Begehren, hin und weg

MTV-Bildästhetik, metaphysisch gewendet: Clara Laws australisches Roadmovie„The Goddess of 1967“ sucht nach einem Sinn hinter den Bildern und findet ihn in Gefühlen

von CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK

Clara Law gilt als eine Regisseurin, deren künstlerischer Ausdruck sich orientiert an der Bildästhetik von MTV und deren Sujet das Lebensgefühl einer Generation ist, die vor nicht langer Zeit häufig „X“ genannt wurde. Doch der denunziatorischen, oft aus kulturpessimistischem Ressentiment gespeisten Anwendung des Begriffs „Generation X“ – sei es auf die Romane ihres Namensgebers Douglas Coupland oder auf die Filme von Law – liegt ein Missverständnis zugrunde. Denn beide bedienen sich der MTV zugeschriebenen Ästhetik gerade deshalb, weil sie deren Oberflächlichkeit skandalisieren wollen.

Vor allem eins wird man in Clara Laws jüngstem Film The Goddess of 1967 nicht finden: Bilder, die das Gezeigte fetischisieren. Das gilt zuallererst für das titelgebende Objekt der Begierde, einen Citroen DS, genannt „déesse“, noch dazu rosafarben, für dessen Erwerb ein junger japanischer Hacker bis nach Australien reist. In eingeblendeten zeitgenössischen Werbespots erfahren wir viel über das Versprechen technischer Perfektion, das mit seiner Erbauung einherging. Wir hören, wie die spezielle Bauweise de Gaulle einst vor der Ermordung geschützt hat. Sogar Roland Barthes wird bemüht: Nicht einmal der Philosoph war gegen den Sog des Autos gefeit. Laws Kamera jedoch darf die DS kaum einmal in Gänze zeigen.

Dafür spiegelt Law die Begeisterung, die von dem Auto ausgeht, ausgiebig im Gesicht ihres Hauptdarstellers Rikiya Kurokawa. Der DS-Fan wird jedoch eine Wandlung durchlaufen. Als er das Auto in Empfang nehmen will, wartet dort statt des Verkäufers eine blinde Verwandte (Rosie Byrne), die ihn bald bittet, mit ihr in der DS einen fünftägigen Trip durch den australischen Outback zu machen. Ihr Ziel, wie der Film ganz langsam und in Rückblenden, die bis zu dreißig Jahren zurückreichen, entfaltet, ist der Ort, an dem ihr Vater lebt: Sie will Rache. Und nach und nach wird der junge Mann sein Begehren vom Auto lösen und auf die junge Frau – ein Wesen aus Fleisch und Blut – richten, sie sogar heiraten wollen.

Dem damit einhergehenden Echtheitsversprechen gibt Law zusätzlichen Ausdruck in der Blindheit seiner Heldin: Sie ist gegen die Macht und den Trug von Bildern immun. Die in einem australischen Roadmovie erwartungsgemäß zahllosen Landschaftstotalen sind allesamt farblich verfremdet. Sie trösten genauso wenig über die Einsamkeit der Menschen in ihnen hinweg wie Bilder von Edward Hopper. Doch anders als bei ihm sind Laws Einstellungen tief getränkt von einem Sinn, der hinter ihnen liegen soll.

Gegen die Verwendung von Bildern, die ein Musiksender geprägt hat, kann im Grunde nichts vorgebracht werden. The Goddess of 1967 folgt damit lediglich zeitgenössischen Sehgewohnheiten – wie viele Filme vor ihm. Folgenschwerer ist der Fingerzeig, gerade diese könnten „die Wahrheit“ nicht zu fassen kriegen. Denn wer ist im Anschluss nicht geneigt, den besseren Ausdruck dieser Wahrheit in einer vergangenen Ästhetik zu vermuten. Es ist Clara Law anzurechnen, dass sie so weit nicht geht. Denn warum sollte das Alte weniger trügerisch sein?

täglich bis zum 17.7., 20.30 Uhr, 3001

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