: Mit dem Wetter wetten
Das verregnete 133. Derby am kommenden Sonntag ist die erste große Bewährungsprobe des Stader Top-Jockeys Andrasch Starke nach einer Kokainsperre – Starjockey Dettori auf Mamool Favorit
von OKE GÖTTLICH
Klitzeklein sind die Details, die wetteifernde Beobachter analysieren, um ihre Geldwette auf das richtige Pferd zu platzieren. Der Blick der vierbeinigen Sprinter ist dabei ebenso wichtig, wie der Glanz des Fells. Dementsprechend ist der Führring, der Cat-Walk des Galoppsports, bei der diesjährigen Hamburger Derby-Woche belagert. Stimmt die Rennstatistik mit der Nervosität des Pferdes unmittelbar vor dem Start überein, fragt sich nicht nur Derbyfan Günther Kerl, der sich beklagt, dass viele, „sowieso nur auf den Jockey setzen“. Demnach dürfte Lanfrance Dettori (s. Lokalkoloratur) auf Mamool beim 133. Derby (16.45 Uhr in Horn) das Rennen an der Wettkasse machen. Auch wenn der tiefe Boden durch das nasse Wetter die Chance für Außenseiter erhöht.
Es wir viel interpretiert. Was soll der gemeine Derbybesucher nun davon halten, dass die Wiederkehr des Stader Top-Jockeys und Mitfavoriten auf den Derby-Sieg, Andrasch Starke, am Dienstag so begann, wie das vergangene Jahr beendet wurde – mit einem Doping-Test. Eine internationale Sperre wegen Kokainmissbrauchs untersagte es dem Ausnahmejockey für ein halbes Jahr am Turfbetrieb teilzunehmen.
Erst Alkohol, dann Koks in Hong Kong
Die Derby-Woche in Hamburg-Horn mit acht Renntagen, 80 Rennen sowie einem mit 2,25 Millionen Euro gefüllten Prämien- und Preisgeldtopf steckt den Rahmen für die Wiederkehr des einst als „enfant terrible“ gebrandmarkten Star der europäischen Jockeyszene ab. Wird sein Blick am Sonntag beim legendären Rennen um das blaue Band ähnlich starr und leer sein wie bei seinem Comeback, sollte nicht das große Geld in die Hand genommen werden.
Andrasch Starke selbst gibt keine Prognose ab. Über die Zukunft will er genausowenig reden, wie über die Vergangenheit. Starke bockt. „Als ich gut war und viele Rennen gewonnen habe, da ist über mich auch nicht immer positiv geschrieben worden“, ärgert er sich. Gerüchte wucherten und mit ihnen sein ambivalentes Verhältnis den Medien gegenüber. Nichts will er davon hören, dass er mit 1,70 m beinahe zu lang für einen Jockey gewachsen war und nur mit eiserner Disziplin sein Wettkampfgewicht von 53 kg nicht überschritt.
Das „Genie mit anscheinend goldenen Händen“ (Hamburger Abendblatt 1996) rannte von einem Erfolg zum nächsten bis es hierzulande für ihn nichts mehr zu gewinnen gab. Sein Traum, „bei einem Toptrainer als erster Stalljockey zu arbeiten“, erfüllte sich nicht. Dafür kam eine lukrative Einladung des Hong Kong Jockey Clubs für das Jahr 2002. Deren Manager Winfried Engelbrecht-Bresges hatte sich intensiv für Starke eingesetzt, nachdem dieser bereits 2001 in Hong Kong negativ aufgefallen war. Damals hatte er einen zu hohen Promillewert, weshalb ihm für einen Monat die Lizenz entzogen worden war. „Das war wirklich eine Dummheit von Andrasch“, sagt Championtrainer Andreas Schütz, bei dem Starke bis heute Stalljockey ist.
Es folgte Teil zwei der Serie „Lost in Hong Kong“. Kokain, als Appetitzügler unter Jockeys keine unbekannte Substanz, wurde in Dopingproben festgestellt. „Offiziell halten wir uns an die Sprachregelung, dass ihm was in den Drink gemixt wurde“, erklärt Schütz. Der schillernde Trainer kennt die neidische Szene, ohne weitere Verschwörungstheorien anzustimmen. „Der Imageschaden ist viel kleiner als ich befürchtet hatte. Ich habe trotzdem viele namhafte Besitzer hinzubekommen“, versichert Schütz hinter seiner lila getönten Sonnenbrille. Dass der Münchner Millionär Helmut von Finck acht Pferde abgezogen hat und jetzt von dem Kölner Trainerkonkurrenten Peter Schiergen trainieren lässt, verrät er nicht.
Jockeys wie Pferde – der Glanz zählt
Zu üppig sind die Summen um die es im Turf geht. Und nichts wurmt Schütz mehr als die Erfolgswelle seines Kontrahenten, der mit 49 zu 31 Siegen in der Wertung des Trainer-Championats vor Schütz liegt. Auch das Jockey-Championat ist nach der Zwangspause für Starke perdu. Er will mit einem Derby-Sieg glänzen, obwohl der Glanz seiner Augen verflogen ist. Aber in der Regel sind es ja nur Pferde, die nach diesen Kriterien beurteilt werden.
die ultimative taz-Dreierwette: 1. Nicaragua (Gewinnsumme 15.307 Euro), 2. Next Desert (219.942 Euro), 3. Mamool (104.585 Euro)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen