: „Rausholen, was rauszuholen ist“
Die Planungssicherheit der Stadt für die Hochschulen gilt trotz formalem Vorbehalt, sagt Uni-Präsident Jürgen Lüthje. Ein taz-Gespräch über Hochschulzukunft, Hochschulräte und die Definition von hochschulschädigendem Verhalten
Interview: KAIJA KUTTER
taz: Studierende haben im Rahmen ihres Protestes auch Ihren Rücktritt gefordert. Fühlen Sie sich dadurch in Frage gestellt?
Jürgen Lüthje: Nein. Aber ich halte die Kritik an der Unterausstattung der Universität für berechtigt. Als der neue Senat im Winter seine eigene Koalitionsvereinbarung aufkündigte, die Ausstattung der Universität zu verbessern, haben die Hochschulleitungen angesichts der schwierigen Haushaltslage aufgrund sinkender Steuereinnahmen versucht herauszuholen, was möglich war. Das haben wir mit dem „Zukunftspakt“ geschafft. Der Zukunftspakt bewahrt die Universität bis 2005 nicht nur vor weiteren Einsparungen, sondern garantiert dazu für die nächsten drei Jahre den vollen Tarif- und Inflationsausgleich. Das ist die beste Situation, die wir an den Hochschulen seit seit 10 Jahren haben. Deshalb kann ich die Forderung der Studierenden, meine Unterschrift zurückzuziehen, nicht nachvollziehen. In einer Situation, in der alle Bereiche des Landeshaushalts erhebliche Einschränkungen hinnehmen mussten, haben wir einen dreijährigen Schutz vor weiteren Einsparungen erreicht. Das ist ein großer Erfolg.
Ein Schutz mit Fragezeichen. Der „Letter of Intent“ gewährt Planungssicherheit nur vorbehaltlich der Steuerschätzung vom Mai 2002.
Es gibt hier kein Fragezeichen. Der Wissenschaftssenator hat auf meine Frage, ob dieser Vorbehalt relevant sei, ausdrücklich bestätigt, dass er keine Wirkung habe. Erst nach dieser verbindlichen Erklärung habe ich unterschrieben. Diese Erklärung ist im Übrigen in Anwesenheit anderer Hochschulpräsidentenabgegeben worden und in sofern auch beweisbar. Auch hat der Senator dies mehrfach öffentlich wiederholt.
Nun löst dieser Zukunftspakt auch Ängste aus, weil er ein Szenario beinhaltet. Die Dohnanyi-Kommission soll bis zum Herbstende Vorschläge machen, die auch Schließungen, Zusammenlegungen und Studienplatzabbau beinhalten können. Und Sie verpflichten sich mit ihrer Unterschrift, dies zu unterstützen. Da ist eine kritische Diskussion der Ergebnisse nicht zu erwarten.
Das ist nicht richtig. Denn die Selbstverwaltungsrechte der Hochschulen und ihrer Gremien bleiben voll gewahrt, sie werden durch die Vorschläge der Dohnanyi-Kommission nicht eingeschränkt. Ich selbst habe die Begutachtung des gesamten Hamburger Hochschulsystems und der Hochschulpolitik gefordert. Ich halte sie für notwendig, weil nur durch eine solche Begutachtung die dringend notwendige Verbesserung der Ausstattung durchgesetzt werden kann.
Sie glauben, die Uni-Hamburg kann dabei nur gewinnen?
Bisher hat bei Einsparungsbeschlüssen immer die große Hamburger Uni im Zentrum der Begehrlichkeiten gestanden. Die strukturelle Begutachtung eröffnet endlich einmal die Möglichkeit, die Situation aller Hamburger Hochschulen im Vergleich zu betrachten. Das wird für die Universität Hamburg zu einem deutlich günstigerem Ergebnis führen, als wenn nur Sie allein betrachtet würde. Ich bin überzeugt, dass wir durch die Begutachtung einer Expertenkommission im Jahr 1996 und die Umsetzung ihrer Empfehlungen hervorragend auf diese neue Begutachtung vorbereitet sind.
Herr Dräger sagt, Sie hätten nur nach Rasenmäherprinzip gespart.
Dem widerspreche ich nachdrücklich. Wir haben klare Prioritäten gesetzt und in den vergangenen Jahren wichtige Reformen eingeleitet. Bei der Entwicklung der Studienangebote haben wir uns an der Qualität, der Nachfrage und den Zukunftsperspektiven der Fächer orientiert. So haben wir zum Beispiel trotz der Einsparungen einen sehr leistungsstarken Bereich in der Nanostrukturforschung aufgebaut und die Bioinformatik auf den Weg gebracht. Umgekehrt sind in manchen Fächern die Kapazitäten um mehr als ein Viertel verringert worden. Bei allen unseren Reformen haben wir uns an den Empfehlungen der externen Kommission orientiert. Die Gutachter haben ausdrücklich empfohlen, die Fächervielfalt der Universität nicht in Frage zu stellen. An dieser Stelle besteht ein Dissenz zum Senator. Ich bin überzeugt, dass die Fächervielfalt eines unserer wichtigsten Profilmerkmale ist.
Angenommen, die Dohnanyi-Kommission rät, die Fächer einzuschränken. Würden Sie dann öffentlich dagegen kämpfen?
Ich werde mit allem Nachdruck dafür eintreten, dass die Fächervielfalt erhalten bleibt. Denn diese Vielfalt passt zur Metropolregion Hamburg. Hamburg ist die internationalste Stadt der Bundesrepublik. Was passt da besser, als ein Angebot von über 100 Sprachen und Kulturen.
Würden Sie eine Verkleinerung der großen Fächer akzeptieren.
Wenn wir bei den großen Fächern wie Betriebswirtschaft oder Rechtswissenschaft die Zahl der Studenten verkleinern, so hat dies eher einen qualitätssteigernden Effekt. Jede Streichung eines kleinen Faches wäre hingegen ein schwer wiegender Qualitätsverlust.
Stichwort Hochschulgesetz. Könnten Sie mit den Hochschulräten leben, die Herr Dräger plant?
Hier besteht noch großer Diskussionsbedarf. Hochschulräte machen nur Sinn, wenn Sie Kompetenzen der Behörde übernehmen. Der Gesetzentwurf sieht dagegen vor, dass sie Kompetenzen der Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen übernehmen. Ich rege als Sprecher der Landeshochschulkonferenz dazu an, dass alle Fraktionen einen bürgerschaftlichen Konsens suchen. Es kann nicht angehen, dass alle paar Jahre mit einem neuen Regierungswechsel eine neue Partei ihre hochschulpolitischen Hobbys pflegt.
Drägers Modell sieht eine Ausrichtung der Hierarchie nach oben vor. Die externen Hochschulräte wählen den Präsidenten, der wiederum setzt die Dekane ein. Begründen tut er dies mit der geplanten Bezahlung der Professoren nach Leistung. Ein Präsident, der mit Mitarbeitern Gehaltsverhandlungen führt, dürfte nicht von ihnen abhängig sein.
Dieses Argument ist für mich nicht plausibel. Ich verhandle heute schon bei Neuberufungen mit den Professoren über viel Geld und fühle mich dadurch in keiner Weise abhängig. Die Hochschulen müssen ihren Präsidenten wählen dürfen, das ist unabdingbar. Denn ein Präsident braucht das Vertrauen der Mitglieder der Universität. Etwas anderes ist, dass eine Bestätigung der Wahl durch den Staat oder den Hochschulrat durchaus sinnvoll ist.
Das Hochschulgesetz bringt auch die Studierenden auf. Insbesondere der Abbau ihrer demokratischen Rechte. Asten dürfen sich künftig nicht mehr politisch äußern, Studierenden, die sich hochschulschädigend verhalten, droht Exmatrikulation. Wie stehen Sie zu diesem Paragrafen?
Der Begriff des schädigenden Verhaltens ist unglücklich gewählt und viel zu unbestimmt. Selbstverständlich darf die Exmatrikulation kein Instrument politischer Disziplinierung sein, das die freie politische Betätigung und Meinungsäußerung an der Universität einschränkt. Andererseits muss die Universität aber die Möglichkeit haben, Studierende zu exmatrikulieren, die die Universität oder ihre Mitglieder wiederholt durch Straftaten erheblich schädigen.
Wo ziehen Sie da die Grenze zu politischem Protest, der ja oft auch mit zivilem Ungehorsam einhergeht?
Ganz eindeutig: Es muss sich um wiederholte Straftaten handeln, die die Universität oder ihre Mitglieder schwer schädigen. Wenn Studierende regelmäßig Bücher aus Bibliotheken oder Computer stehlen oder z.B. andere Universitätsmitglieder vorsätzlich verletzen, muss die Universität solche Studierende, wenn sie rechtskräftig verurteilt werden, exmatrikulieren können. So wie ja auch Beschäftigte eine Kündigung erhalten können bei solchen Vergehen.
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