: Überraschende Abgeklärtheit
Die Motive für die tödliche Schießerei auf dem Flughafen von Los Angeles sind noch völlig unklar. Die US-Behörden haben bislang keine Hinweise auf einen Terroranschlag
WASHINGTON taz ■ Als sich die Nachricht am Donnerstagmittag des „Independence Day“ verbreitete, dachten alle sofort an einen Terroranschlag: Schießerei am Schalter der israelischen Fluggesellschaft El Al auf dem Internationalen Flughafen von Los Angeles. Drei Menschen getötet und drei verletzt. Offenbar war genau das eingetreten, wovor US-Geheimdienste wochenlang gewarnt hatten. Nach Polizeiangaben näherte sich ein bewaffneter Mann dem Abfertigungsschalter, zog nach einem lautstarken Wortwechsel eine Pistole und schoss auf einen El-Al-Mitarbeiter. Der Schütze wurde von einem Wachmann der Fluggesellschaft getötet. Ein Teil des Flughafens wurde gesperrt. Straßensperren lösten rund um den Flughafen ein Verkehrschaos aus, der Flugbetrieb war jedoch nur vorübergehend beeinträchtigt.
Doch die anfängliche Aufregung legte sich erstaunlich schnell und in dem Maße, wie sich die These vom „isolierten Vorfall“ durchsetzte. Vielleicht trug dazu auch die Tatsache bei, dass es lange Zeit hieß, der Täter sei ein Mann weißer Hautfarbe gewesen. Erst viel später wurde bekannt, dass es sich bei dem Todesschützen um einen 41-jährigen Mann ägyptischer Abstammung handelt, wie die US-Medien am Freitagmorgen unter Berufung auf die Ermittler der US-Bundespolizei FBI berichteten. Er soll seit 1992 in Kalifornien gelebt haben, ohne die US-Staatsbürgerschaft zu besitzten, sondern nur die „Green Card“.
Mögliche Motive sind bisher völlig unklar. Die reinen Fakten lassen jedoch viel Raum für Spekulationen. Während die israelische Regierung hartnäckig von einem Anschlag überzeugt scheint, gehen die amerikanischen Behörden von einem Einzeltäter aus. Das Weiße Haus ließ verlauten, Hinweise zu einem möglichen Terroranschlag lägen nicht vor. Um ein Attentat auszuschließen, sei es jedoch zu früh.
In den Nachrichtensendungen war die Flughafen-Schießerei überall Aufmacher. Dennoch überraschte, wie nüchtern und unaufgeregt mit dem Ereignis umgegangen wurde. Vielleicht war man erleichtert, dass es sich bei der Schießerei um einen vergleichsweise kleinen Zwischenfall handelte. Vielleicht war man auch beruhigt, wie schnell die Wachleute gehandelt und weiteres Blutvergießen verhindert hatten. Oder man erfuhr die Nachricht zu einem Zeitpunkt, als die Ermittler nur noch von einem Einzeltäter sprachen – viele Menschen waren zur Tatzeit nicht zu Hause, da sie den Unabhängigkeitstag auf Straßenfesten oder am Strand verbrachten.
Die abgeklärte Reaktion mag auch daher rühren, dass Schießereien in den USA ein Normalzustand sind. Täglich werden Menschen erschossen. Nicht nur in den Armenvierteln der Großstädte, sondern in Büros, Schulen, Banken, Casinos, Autos und in Suburbia. Diesmal auf einem Flughafen. MICHAEL STRECK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen