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Bagger vorm 13. Jahrhundert

„Notbergung“ am Brill: Archäologen suchen Bremens erste Stadtmauer bevor die Bagger kommen und ein neue Tiefgarage vorbereiten

Bremens Frühgeschichte: Bronzeschnallen und Knochenzahnbürsten

„Hier in der Nähe muss im 13. Jahhundert die erste Bremer Stadtmauer verlaufen sein“, sagt der Archäologe Dieter Bischop. „Da lag das Stephaniviertel noch außerhalb der Mauern.“ Kaum sind seine archäologischen Funde aus dem achten Jahrhundert unter dem heutigen Marktplatz wieder zugeschüttet, buddelt er als Grabungsleiter schon auf der nächsten Baustelle – diesmal zwischen dem Brill und der Schlachte.

Bischop steht in der acht Meter tiefen Baugrube, auf Mauerresten aus dem 16. Jahrhundert. Demnächst sollen hier Autos in einer Tiefgarage Platz finden, die im Rahmen der Schlachteerweiterung Richtung Stephaniviertel entsteht. Damit BremerInnen und Touris auch in Zukunft noch viel über die Geschichte der Schlachte erfahren können, „versuchen wir hier in einer Notbergung noch möglichst viel darüber herauszufinden. Wenn hier erst mal gebaut wird, ist danach alles steril.“

Mit Hilfe der Funde könne man feststellen, wie früh die ersten Schiffe an der Schlachte festgemacht haben. „Wir haben beispielsweise Keramikscherben aus dem 13. Jahrhundert aus Flandern gefunden“, sagt der Grabungsleiter. „Bremen hat regen Handel mit Flandern und dem Rheinland betrieben.“ Auch Lederreste von Schuhen aus dem selben Jahrhundert, eine Münze, deren Alter noch nicht bestimmbar ist, Knochen und eine Bronzeschnalle oder ein Gewicht zum Spinnen – ein Vorläufer des Spinnrades – haben die Archäologen dem Bagger seit Freitag entrissen. Sie hoffen auch noch herauszufinden, wo die Schlachte denn eigentlich zu Ende war. Aber schon bald kommen die Betonmischer.

„Gerade nimmt der Bagger uns das 16. Jahrhundert hopps“, sagt der Archäologe und klingt reichlich konsterniert. Während er eine aus Knochen geschnitzte Zahnbürste, eine Spielkugel oder Mahlsteine jüngeren Datums in Plastiktüten sortiert und Fundstellen in Karten einzeichnet, steht ein Grabungshelfer an tieferer Stelle, ungefähr da, wo Bischop das 13. Jahrhundert vermutet. Die Archäologen arbeiten sich Schicht für Schicht vor: „Wenn die Bremer reich wurden, haben sie groß gebaut, immer auf das Alte oben drauf. Daran können wir heute erkennen, wann die Händler damals zu Geld gekommen sind.

Die Arbeitsbedingungen der Archäologen sind nicht die besten: „Wir müssen zwar graben können, aber manchmal haben wir nur zwei oder drei Tage dafür Zeit.“ Am Brill haben sie noch ein paar Tage: „Nächste Woche gräbt sich der Bagger zum 13. Jahrhundert runter“, erklärt Bischop die Grabungsperspektive. In der Baugrube müssen sich Forscher und Handwerker miteinander arrangieren. Das Problem: Beide stehen unter Zeitdruck. Also schürfen die Archäologen „immer gerade da, wo der Bagger nicht ist“ nach Steinchen, die die Geschichtsschreibung verändern könnten. Ulrike Bendrat

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